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Ausgesaugt

Ausgesaugt

Titel: Ausgesaugt
Autoren: Charlie Huston
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Jahren einiges durchgemacht. Zwar hat sie sich nicht wie der Rest der Enklave in ein lebendes Skelett verwandelt, aber sie ist trotzdem nur Haut und Knochen. Das gefällt ihr. Sie fühlt sich wohl so. Sie sagt, es wäre nur natürlich. Und dass ich mich schon dran gewöhnen werde. Daniel hätte schon Recht damit gehabt, dass ich das Zeug zu diesem Leben habe.
    Schließlich hielt er mich für die Zukunft der Enklave.
    Sie sagt, dass ich der Enklave das Leben im Licht gezeigt hätte. Uns allen. Das Vyrus ist ans Licht der Öffentlichkeit gelangt, und damit sind wir auch im Licht. Genau wie der alte Mann gesagt hat, behauptet Evie. Das ist, was die Enklave immer wollte. Wir sind im Licht, aber wir verbrennen nicht. Daniels Prophezeiung war nicht wörtlich gemeint, sondern nur symbolisch. Behauptet sie.
    Ich glaube, das ist Quatsch.
    Sie sagt das nur, damit ich so komisch das Gesicht verziehe. Dann lacht sie mich aus. Aber nur halbherzig. Sie nimmt das Ganze ernster als ich. Sie hat zwei Jahre in Daniels altem Zimmer verbracht und seine Tagebücher gelesen. Alle. Auch aus der Zeit, in der er noch nicht bei der Enklave war. Vor seiner Infektion. Sie sagt, dass er eine andere Sicht auf die Dinge gehabt hätte. Eine andere Perspektive.
    Ich habe nicht gefragt, was im Lagerhaus passiert ist. Mit dem Grafen. Ob sie etwas gesehen hat, bevor sie abgedrückt hat.
    Ich weiß nicht so recht, wie ich es formulieren soll.
    Hey, Baby, bevor du ihn erschossen hast, hast du da zufällig gesehen, ob mein Auge schwarz geworden ist und ob ich meine Finger in seinen Körper gebohrt und ihn zu Eis hab erstarren lassen?
    Aber ich habe seine Leiche gesehen, sie berührt. Sie war kalt. Kälter, als eine Leiche eigentlich sein dürfte.
    Und weiter?
    Wenn das Vyrus der Ursprung allen Lebens ist – na und? Das Leben muss ja von irgendwoher kommen, oder? Amanda, du kleines verrücktes Ding, du hast mir seltsame Dinge beigebracht.
    Es sei nicht wörtlich gemeint, sagt Evie.
    Was die Enklave glaubt, wofür sie steht, sei nicht wörtlich gemeint. Aber was bedeutet dann, etwas heraufzubeschwören ? Bedeutet es, dass man eine arme Sau so lange quält, bis das Vyrus in ihm erneut mutiert?
    Himmel, mir schwirrt der Kopf.
    Evie sagt, dass die Regeln der Enklave ursprünglich praktische Anweisungen zum Überleben waren. Das Fasten und der ganze Hokuspokus sorgen in erster Linie dafür, in Einklang mit dem Ökosystem zu leben. So wie es im Grunde alle Dinge tun.
    Wie auch immer.
    Mir ist ein voller Bauch lieber.
    Aber wir werden ja sehen.
    In den Nachrichten zeigen sie Hubschrauberaufnahmen aus Queens. Man erkennt das Kieswerk, SWAT-Fahrzeuge, Feuerwehrautos, Streifenwagen und einige dunkle Limousinen. Ein paar Cops scheinen gemeinsam zu beten. Einer hat sich vorgebeugt und kotzt, während sein Partner tränenüberströmt neben ihm steht. Dann ein Handyvideo von ein paar Gestalten unter schwarzen Decken, die in Rettungswägen und vom nahe gelegenen Busbahnhof abkommandierte Schulbusse geführt werden.
    NY1 spricht von einem Umschlagplatz für osteuropäische Prostituierte.
    Vielleicht wollen die Cops die Wahrheit vertuschen, vielleicht hat sich auch nur irgendjemand diesen Scheiß ausgedacht, weil es gerade keine bessere Erklärung gibt. Egal, diese Geschichte wird sich nicht lange halten. Die Wahrheit will frei sein, hat Terry gesagt. Die Wahrheit wird einen Weg finden, so oder so. Und dann werden die Straßen in Flammen stehen.
    Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es nicht mehr lange bis zur Dämmerung ist. Zeit für ein bisschen Schlaf. Aber Evie hat Recht, erst muss diese letzte Aufnahme fertig werden. Außerdem ist hier sowieso nicht viel Platz, um sich auszustrecken.
    Hier ist es rappelvoll.
    Chubby hat Esperanza tatsächlich angerufen. Sie hat die Obergeschosse des Abbruchhauses hergerichtet, in dem sie wohnt. Fenster verbarrikadiert und so weiter. Darauf hat sie bisher verzichtet, um in ihrer ziemlich abergläubischen Nachbarschaft keinen Verdacht zu erregen. Inzwischen dämmert ihr aber wohl, dass ihr Versteck nicht mehr lange geheim bleiben wird. Jetzt hausen die Mungiki hier, die Dusters und noch ein paar andere Typen. Dazu ich und Evie. Ich weiß nicht, was beängstigender war: Wie sich die Mungiki und Dusters gegenseitig beschnupperten oder das Blickduell zwischen Evie und Esperanza.
    Zum Glück trennen sich die Wege der beiden bei Sonnenuntergang.
    Esperanza weiß noch nicht genau, was sie tun wird. Hier drüben haben ihre Leute eine
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