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Ausgesaugt

Ausgesaugt

Titel: Ausgesaugt
Autoren: Charlie Huston
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den Hieb abzufangen. Ich werde rückwärts durch die Luft geschleudert, taumle, und mein Gesicht prallt gegen den Beton, gefolgt vom Rest meines Körpers. Ich spüre, dass der Rest der Enklave sich bewegt, sich uns nähert, uns umrundet, und als ich mich auf den Rücken rolle, bemerke ich, dass ich die Sense verloren habe. Der Graf tritt in mein Blickfeld, hebt sie auf und ich wälze mich hin und her, während er wieder und wieder wie mit einer Spitzhacke ausholt, den Beton zum Splittern bringt und die Löcher im Boden meinem Körper immer näher kommen. Er ist schneller als ich, die Spitze der Klinge rutscht von meinen Rippen ab, und ich stecke die Hand in die Jacke und ziehe das Amputationsmesser, doch das dauert zu lange und die Sensenklinge durchtrennt Rippen und Lunge und dringt auf der Rückseite wieder aus meinem Körper. Er zerrt an der Klinge und reißt mir die Seite auf, doch jetzt bin ich wieder auf den Beinen und habe meine eigene Waffe in der Hand. Das Vyrus schwärmt in das klaffende Wundloch, um es zu schließen, und es fühlt sich an wie eine Million winziger Elektroschocks. Wir stehen inmitten eines Rings aus Enklavemitgliedern. Hier soll es also zu Ende gehen. Doch bevor es so weit ist, stürze ich mich auf den Grafen, er weicht mir aus und die Sense trifft mich erneut, als er an mir vorbeispringt und meine Achillessehne durchtrennt. Mein eines Bein gibt nach und ich gehe in die Knie. Er kann das alles viel besser als ich, er ist schneller und stärker, und er ist es gewohnt, mit dem wildgewordenen Vyrus zu leben, doch ich würde wirklich gerne sein Gesicht sehen, wenn er rausfindet, dass seine Welt zerstört ist und ich derjenige bin, der alles zum Teufel hat gehen lassen.
    Allerdings bezweifle ich, dass ich Gelegenheit dazu haben werde.
    Die gebogene Klinge ist perfekt für die Ernte.
    Sie zischt geschmeidig und schnell auf meinen Hals zu. Wenn sie noch etwas schärfer wäre, würde sie glatt die Staubflocken in der Luft durchtrennen.
    Und dann bemerke ich, dass ich auf einem bestimmten Fleck im Beton kniee. Ein Umriss, an den ich mich gut erinnern kann. Genau hier habe ich Daniel hingelegt und ihm beim Sterben zugesehen. Ich erinnere mich an Daniel. Wie gern er mich mit seinen rätselhaften Hinweisen geärgert hat; wie er angedeutet hat, dass ich sein Nachfolger werden sollte und ich es nie ernst genommen habe. Ich erinnere mich, dass er mir erzählt hat, der Geist sei eine Präsenz, welche die Enklave heraufbeschworen hätte. Ich erinnere mich an den alten Mann aus der Kanalisation, dessen wahrer Name Joseph lautet. Ich erinnere mich, dass Daniel mich nur bei dem Namen nannte, mit dem ich geboren wurde. Simon. Ich erinnere mich, dass der alte, verrückte Joseph aus der Kanalisation Simon erzählt hat, dass er einen Geist gesehen hat. Dass wir auch zu Geistern werden. Ich erinnere mich an die Schwärze, die hinter seinen Augen schwamm, und dass ich in einem anderen Keller vor langer Zeit gestorben bin, weil ich zu lange ohne Blut war. Weil meine Vorräte gestohlen wurden. Lange bin ich nicht tot geblieben. Das Vyrus hat mich zurückgeholt, hat die letzten Reserven mobilisiert, hat mich zum Leben gezwungen, gerade lange genug, damit ich mir das überlebenswichtige Blut beschaffen konnte. Ich erinnere mich, dass ich kurz vorm Sterben war, genau wie das Vyrus. Und dann erschien der Geist. Der Geist hat einen Mann erfrieren lassen. Er war so kalt wie das Weltall. Daniel hat behauptet, sie hätten den Geist gerufen. Daniel, ist er in meiner alten Wohnung gewesen, hat er mein Blut gestohlen? Hat er mich jahrelang verfolgt, ist er meinen Spuren, meinem Geruch gefolgt, hat er seine eigenen Spuren verwischt? Ich sehe Daniel vor mir, wie er mir erzählt, dass sie den Geist gerufen hätten. Dass er mich aushungern ließ, mich sterben sah, mich prüfen wollte, ob ich überleben würde. Er sagt, er hätte den Geist gerufen, um mich zu retten. Ich sehe mich selbst in diesem Keller, kalt wie eine Leiche, mit schwarzen Augen. Und dann tue ich etwas Unmenschliches, obwohl ich noch viel seltsamere Dinge getan habe.
    Ich sehe den Geist.
    Und plötzlich...
    ... bin ich...
    ... wieder dort.
    Die Welt um mich herum zersplittert und setzt sich wieder zusammen und ich bin zurück im Keller dieser Schule. Aus Wunden fließt Blut. Ein nackter Doktor Horde, der mich erschießen will. Ich sehe aus den Augenwinkeln etwas Schwarzes, eine Vibration. Teile davon lösen sich und legen sich über meine Augen.
    Ich sehe Amanda in
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