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Ausgesaugt

Ausgesaugt

Titel: Ausgesaugt
Autoren: Charlie Huston
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uns herum.
    – Ihr riecht nach Tod, Kumpel. Ihr werdet nicht lange durchhalten.
    Ich stütze mich auf einen Ellbogen.
    – Keiner von uns wird das.
    Er lacht sein Katzenhustenlachen.
    – Oh, Kumpel, dann schau mir mal in die Augen.
    Er reißt sie weit auf und sieht mich an.
    Ich blicke in seine Augen.
    Und erkenne ihn darin.
    – Das macht mir keine Angst.
    Er schließt die Augenlider und öffnet sie wieder.
    – Weshalb auch, Kumpel? Das ist, was wir sind.
    Er wendet sich Evie zu, grunzt und nickt.
    – Ja, Kumpel, ich verstehe. Ich verstehe. Ich bin alt, aber noch nicht tot. Ich verstehe.
    Er wedelt mit der Hand und schleicht sich davon.
    – Lebt dieses Leben, so lange ihr könnt. Früher oder später wird es euer Untergang sein.
    Er stellt sich neben den Kanalisationsschacht und beobachtet, wie seine Jünger darin verschwinden.
    – Ich hab’s dir schon mal gesagt, Kumpel.
    Er klettert ebenfalls hinein, so dass nur noch sein Kopf zu sehen ist.
    – Dein Platz ist hier unten.
    Der Kopf verschwindet.
    – Bei uns.
    Dann ist es ruhig bis auf das leise Quietschen der mit Leichen bepackten Ketten und das langsame Tröpfeln des Bluts. Ruhig bis auf das Atmen meines Mädchens.
    Sie wendet sich vom Kanaldeckel ab und schaut mich an.
    – Joe, wenn du zu Besuch kommst, dann wird’s immer interessant.
    Ich deute mit der Hand auf das Blutbad.
    – Tja, ich bin ’ne echte Partybombe.
    Sie legt eine Hand auf ihren kahlgeschorenen Kopf.
    – Ich hab auf den Grafen geschossen.
    – Baby, du hast das Arschloch sogar umgebracht.
    Sie schlingt ihre eigenen Arme um sich.
    – Ich hab noch nie jemanden umgebracht.
    Sie umschlingt sich noch fester.
    – Aber, Mann, das war ein tolles Gefühl.
    Sie hebt eine Hand.
    – Nicht irgendwen zu töten. Ihn. Das war toll.
    Sie lächelt.
    – Wirklich, wirklich toll.
    Sie verdeckt ihr Lächeln mit der Hand.
    – Schrecklich. Ich bin schrecklich. Zum Gruseln.
    – Richtig unanständig.
    Sie nimmt die Hand vom Mund.
    – Das war allein seine Schuld. Was für ein Arschloch. Was für ein Riesenarschloch. Zwei Jahre, zwei beschissene Jahre hab ich’s hier mit ihm ausgehalten. Ein ständiges Hickhack. Ich hab versucht, einigermaßen für Ordnung zu sorgen. Und er hat ständig neue Jünger angeschleppt. Das waren nur Kids, die waren diesem Leben gar nicht gewachsen. Er hat alle an die Grenze des Erträglichen gebracht. Dann hat das mit diesen Gladiatorenkämpfen angefangen. Er hat sie gegeneinander antreten lassen. Um die Gemeinschaft zu stärken. Das hat er sich einfach so ausgedacht. Einfach so.
    Sie zieht die Knie an und schaukelt vor und zurück.
    – Ich konnte ihn nicht aufhalten. Nicht ohne... ohne meine Leute. Wir waren zu wenig. Okay. Ich hätte es versuchen können. Aber dann wären wir alle... und dann? Wer wäre denn dann noch...
    Sie hört auf zu schaukeln.
    – ... normal gewesen?
    Sie lacht.
    – Genau.
    Sie legt den Kopf auf die Knie.
    – Ich war so einsam.
    Sie schließt die Augen.
    – Ich war am Leben. Und nicht mehr todkrank. Ich war am Leben. Aber ich war so einsam. Manchmal hab ich gedacht: Wenn ich jetzt im Krankenhaus wäre, würde Joe mich besuchen kommen.
    Sie öffnet die Augen.
    – Ich war so einsam.
    Sie öffnet die Arme und berührt die Wunde in meiner Seite.
    – Hey.
    Ich zucke zusammen.
    – Ist okay.
    Sie legt eine Hand auf meinen Bauch.
    – Joe.
    – Baby, ich muss... ich... tut mir leid. Ich glaube...
    Sie fährt mit einer Hand unter mein Hemd.
    – Ich war so einsam.
    Sie fährt mit den Fingern über die sich schließende Wunde in meiner Seite.
    Es tut weh, aber ich halte sie nicht auf. Ich versuche nur, die Worte aus dem Mund zu bekommen, bevor ich sie vergesse.
    – Da waren diese Kinder, in einem Loch, und ich... ich hab nicht... ich hätte, wie du hier, ich hätte helfen können, aber ich hab’s nicht getan. Ich hab aufgegeben. Ich bin abgehauen und hab mich versteckt. Kinder. Aber... ich will nicht mehr lügen. Weil, Baby, weil es mir egal ist. Egal. Ich hab getan, was ich konnte, solange ich es konnte. Und jetzt war es für einige wohl zu spät. Ein ganzes Jahr zu spät. Aber das ist mir egal. Was mir nicht egal ist... was mir etwas bedeutet...
    Ich nehme ihr Handgelenk.
    – Es tut mir leid, dass ich dich angelogen habe. Es tut mir leid, dass ich dir nicht gesagt habe, was ich bin.
    Ich berühre ihr Gesicht.
    – Ich bin ein Killer, Baby.
    Sie legt eine Hand auf meinen Mund.
    – Das ist okay. Das bin ich auch.
    Sie nimmt die Hand von meinem Mund
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