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Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt

Titel: Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
Autoren: Andreas Eschbach
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Balzacs »Menschliche Komödie« auf seinem eBook dabei und fest vor, sie bis zum Rückflug gelesen zu haben, sämtliche einundneunzig Bände.
    Markus blieb bei denen, die einfach nur redeten. Meist ging es um die Arbeit. Da sie fast alle denselben Hintergrund hatten, fanden sich mühelos gemeinsame Themen, und die Unterschiede der nationalen Mentalitäten ergaben Stoff für viele lustige Anekdoten. Doch, das war schon alles interessant.
    Aber, das war Mark klar, es würde nicht ein halbes Jahr lang interessant bleiben.
    Mit anderen Worten: Er musste hier weg.
    Eines Morgens fand er ein Formular auf seinem Schreibtisch vor, auf dem groß und fett » URGEN T « stand. Es stammte von der Büroverwaltung, und es ging um nichts Dramatischeres als darum, jeden von ihnen für die Zeit seines Aufenthaltes mit Visitenkarten auszustatten. In einfachen, anscheinend auf das geistige Fassungsvermögen von Vollidioten geeichten Sätzen wurde er gebeten, seinen Namen, seine Durchwahlnummer, E-Mail-Adresse und eventuelle Mobilfunknummer in die dafür vorgesehenen Kästchen einzutragen und das Ganze – urgent! – um 10 a.m. bereitzulegen. Ein Bürobote würde dann alle Formulare einsammeln.
    Markus zog einen Kugelschreiber aus der Schublade. In dem Moment, in dem er zum Schreiben ansetzte, kam ihm die Idee. Albern, kindisch, aber unwiderstehlich.
    In das Feld »First Name« schrieb er: MAR K .
    In das Feld »Last Name« schrieb er: WESTMA N .
    In das Feld »Middle Initial« schrieb er: S .
    Er sprach das Ganze leise vor sich hin. »Mark S. Westman.« Klang das nicht schon richtig, geradezu wunderbar amerikanisch? Fiel man nicht wie von selbst in ein breites Kaugummi-Englisch, wenn man diesen Namen nur las?
    Kindsköpfisch. Wahrscheinlich bekam er das Formular spätestens morgen früh wieder auf den Tisch mit der Bitte um Korrektur. Egal. Er füllte auch noch den Rest aus – nicht allzu ordentlich, damit er sich notfalls auf ein Versehen herausreden konnte –, legte das Blatt in den Ausgangskorb und machte sich an die Arbeit.
    Der Bürobote, ein pickliger, ungewaschen riechender Jüngling, kam erst um elf. Und erst als er durch war, vermochte sich Markus wieder auf die Feinheiten von Jahresabschlussbescheinigungen für Kapitalmarktkonten zu konzentrieren.
    Doch am nächsten Morgen lag nicht das Formular auf seinem Tisch, sondern ein Stapel von hundert Visitenkarten für MARK S. WESTMAN , Mitarbeiter von Lakeside and Rowe, Inc., New York, N.Y. , U.S.A., zusammen mit einem Ansteckclip, in dem man eine der Karten auf der Brust spazieren tragen konnte.
    Es mochte albern sein, es kam ihm trotzdem vor wie ein gutes Omen. Ja , schienen ihm die schmalen weißen Kärtchen zuzuzwinkern. Nun bist du angekommen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
    Kaum jemand bemerkte den Fehler. Jean-Marc sprach ihn darauf an und meinte, er solle reklamieren. »Uns werden sie auch keine Fehler durchgehen lassen.«
    Markus winkte ab. »Ach, was sind schon Namen? Schall und Rauch.« Den Ball flach halten, sagte er sich. Und natürlich glaubte er nicht im Mindesten, dass Namen Schall und Rauch waren. Namen waren magische Worte. Jeder, der mit Kunden zu tun hatte, wusste das.
    Als sie sich Ende der Woche zum ersten Mal mit den Entwicklern trafen, stellte er sich von vornherein als »Mark« vor, was jeder am Tisch akzeptierte, ohne mit der Wimper zu zucken. Dann diskutierten sie bis zum Einbruch der Dämmerung die notwendigen Änderungen. Das Ganze ging nüchtern vor sich, zielbewusst, auf eine wunderbare Art pragmatisch. Am Abend war Markus regelrecht high . So also wurde in dieser Nation gearbeitet, die Menschen zum Mond geschickt hatte!
    Der eigentliche Sieg aber war, dass auch die anderen aus dem Lokalisierungsteam anfingen, ihn »Mark« zu nennen. Die Magie funktionierte. Und sie würde Wunder wirken, davon war er überzeugt.
    Gegenwart
    E r schreckte hoch, als jemand ins Zimmer kam. Eine Ärztin. Schlank, aber mit grauen Schläfen. Merkwürdig. Sie trug ein Stethoskop in der Brusttasche und eine dünnrandige Brille mit auffallend kleinen Gläsern auf der Nase. Ohne ihn anzusehen, trat sie ans Fußende des Bettes und nahm eine dicke, in grünen Karton gebundene Akte aus einem Ablagefach, das auf der anderen Seite des Fußteils befestigt zu sein schien.
    Sie las. Lange. Blätterte immer wieder um, laut, mit einem Rascheln, das in den Ohren und im Kopf dröhnte.
    Bin ich überhaupt da?, fragte er sich. Er fing an, es zu bezweifeln.
    Doch dann sah ihn die
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