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Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt

Titel: Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
Autoren: Andreas Eschbach
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von Bankkunden zu analysieren und daraus Profile zu erstellen, die Aussagen über den künftigen Liquiditätsverlauf, das Konsumverhalten sowie die Investitionsneigung eines Kunden erlaubten. Diese Analysen sollten dazu dienen, Finanzprodukte gezielter denjenigen anbieten zu können, die sich mit der größten Wahrscheinlichkeit dafür interessierten, und das Ganze basierte auf einem patentierten neuen Analyseverfahren, das irgendwie mit neuronalen Netzwerken zu tun hatte. Markus hatte mehrere Artikel darüber gelesen und es irgendwann aufgegeben, die Hintergründe verstehen zu wollen.
    In den US A , einem Land, das so etwas wie ein Bankgeheimnis nicht kannte, war der Einsatz eines solchen Tools kein Problem. Anders in Europa. Dr. Beißwenger hielt ihm einen fast zweistündigen Vortrag über die Grundzüge und die in diesem Fall wesentlichen Feinheiten des österreichischen Bankenrechts, natürlich nicht ohne auf die darüber hinaus zu berücksichtigenden Vorschriften der E U -Kommission hinzuweisen. Markus tat hinterher der Arm weh von den vielen Notizen, die er in fliegender Eile mitgeschrieben hatte; einen kompletten Block voll.
    Und das war nur Österreich. Deutschland und die Schweiz standen ihm erst noch bevor.
    »Wer berät Sie denn zum deutschen Steuerrecht?«, wollte Beißwenger wissen.
    Markus massierte sein Handgelenk. »Ein Professor Müller von der Universität Köln. Aber der ist erst Anfang Juni aus dem Urlaub zurück.«
    »Er kann sich ruhig Zeit lassen. Passen Sie auf, junger Mann, am besten machen wir es so: Sie nehmen Ihre Texte, übersetzen ein Stück, schicken’s mir per Mail, und dann sprechen wir darüber. Was halten Sie davon? Ist günstig, dass Sie in Amerika sitzen, da haben Sie den Nachmittag zum Arbeiten, und ich hab den Vormittag, um mir Ihre Sachen anzuschauen. Besser geht’s gar nicht.«
    »Okay«, meinte Markus matt. »Machen wir es so.«
    »Dann bis morgen. Grüß Sie Gott.«
    Auf diese Weise kam ein Rhythmus in Gang. Nachmittags übersetzte Markus, so viel er bewältigte, und schickte das Resultat am Abend per Mail nach Wien. Am nächsten Morgen besprachen sie telefonisch, was daran nicht so bleiben konnte, was darauf hinauslief, dass Dr. Beißwenger ihm jeweils eine lange Liste von Punkten diktierte, die er mit dem Entwicklerteam würde besprechen müssen.
    Markus fragte sich längst nicht mehr, was er die nächsten sechs Monate lang tun würde. Er fragte sich, wie um alles in der Welt die Zeit ausreichen sollte.
    Andere hatten es da wesentlich einfacher. Der Schwede im Team etwa las jeden Morgen erst ausgiebig Zeitung oder hielt in aller Gemütsruhe ein Schwätzchen mit dem Dänen. Der Slowene schien nicht einmal zu verstehen, was an Bankvorschriften und Steuergesetzen schwierig sein konnte.
    Markus passte den Franzosen ab, Jean-Marc irgendwie, der sich alle paar Stunden in der Küche einen Kaffee bereitete, der diesen Namen auch verdiente, und schlug ihm vor, in Sachen Schweiz zusammenzuarbeiten.
    » Bien sûr «, nickte der mit müdem Augenaufschlag. »Aber ich werde noch eine Weile mit Belgien beschäftigt sein.« Er schien genau denselben Kampf zu kämpfen.
    Abends saßen sie im Hotel fest. Der Bus setzte sie nach der Arbeit dort ab, meistens gegen halb sieben, und danach war kein Fortkommen mehr. An der Tankstelle parkten um diese Zeit schon jede Menge monströser Trucks, und deren Fahrer, zum größten Teil Typen, die auf junge europäische I T -Vertriebsleute nur Furcht einflößend wirken konnten, hielten den Burger-Stand besetzt. Es gab keine Linienbusse, zumindest keine, die diese Straße entlangfuhren, und auch keine Taxis. Es lohne sowieso nicht, meinte die Wirtin, die jeden Tag ein gleich bleibend strahlendes Lächeln trug, es gebe in Paradise Valley nichts, das die Bezeichnung Stadtzentrum verdiene. Ein Kino? Das letzte habe zwei Jahre zuvor zugemacht, dort sprängen jetzt die Ratten über die Sitze. Und was sie denn im Kino wollten, auf den Zimmern gäbe es gute Fernseher mit extra großen Bildschirmen und Anschluss an das Pay- T V -System. Zahlte alles die Firma.
    Also blieb man im Hotel, ganz einfach. Um acht Uhr wurde das Abendessen serviert: entweder Burger mit Salaten, Mexikanisch oder Chinesisch. Anschließend konnte man hinten in der Bar im Texas-Stil an vier Tischen Billard spielen, bis einem die Quarter ausgingen, oder einfach beisammensitzen, trinken und reden. Manche verzogen sich früh auf ihr Zimmer, Jean-Marc beispielsweise. Er hatte erzählt, er habe
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