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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
Autoren: Guenther Bentele
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herab-strich.
    Er sah es nicht. Seine Kleider waren halb verfault. Er merkte es nicht. Seine Knöchel und Arme waren so angekettet, dass er auf dem Rücken liegen musste, mit dem Kopf reichte er nicht bis an die Wand und nicht auf den Boden. Es war sehr unbequem. Es war feucht und bitterkalt. Aber er merkte nichts von alledem.
    Bilder huschten an ihm vorüber. Er konnte sie nicht festhalten. Da war eine Frau. Er sah, wie sie die Frau packten und weg-schleppten. Er wusste nicht, dass er weinte, wenn er das sah. Es glitten auch andere Bilder an ihm vorüber. Jemand hatte furchtbare Schmerzen in den Armen und den Schultern. Er wusste nicht, dass er selbst diese Schmerzen fühlte.
    Kinder sah er immer wieder. Ein Kind war krank. Er drückte das kleine Gesicht an seine Brust und wiegte es und sang ein leises Lied. Manchmal flüsterte er Namen. Er wusste nicht, wem sie gehörten. Er sah Flammen und sah, wie jemand erstickte in diesen Flammen, eine Frau und ein junges Mädchen. Er weinte, wenn er das sah. Aber er wusste nicht warum.
    Manchmal kicherte er, ohne es zu merken. Er spürte Stöße eines Karrens, auf dem er angekettet lag. Er hörte Rufe: Brunnenvergifter! Aber er wusste nicht, wem sie galten. Er fror, dass es ihn schüttelte. Aber er spürte nicht, dass ihn fror.
    Als am Morgen der Scherge mit einem Krug Wasser in den Turm kam, war der Jude Tröstli aus Zofingen tot.
     
     
    Brief des Kaufmanns August de Lure an die Kaufleute Philippe du Bois, Pierre Blazer und Jean Louis Meyer, gegeben im Monat Mai des dreizehnhundertneunundvierzigsten Jahres nach der Geburt unseres Heilands Jesus Christus
     
    Gott segne Euch, liebe Brüder!
    Dass die Städte Lausanne und Bern die Schulden der Kaufleute an die Juden für sich in Anspruch nehmen, wir also das gute Geld nun statt den Juden an die Städte zahlen müssen - es ist ein schlimmes Ding! Aber so ist es im ganzen Reich üblich geworden. Mir und sicher auch euch ist es aber gelungen, einen großen Teil der Schulden zu verschweigen; die Plünderungen in den Häusern der Juden haben ja sehr viele Rechnungsbücher vernichtet. Herr Blazer, ich höre, Ihr habt Eure Purpurseide wieder! Dem Himmel sei Dank.
    Viele werden es ebenso gemacht haben. Lasset uns darüber schweigen!
    Die Juden im Reich sind nunmehr nahezu ausgerottet. Manche sind weit fort in den Osten gezogen, die meisten sind verbrannt, andere auf der Flucht erschlagen - zuerst bei uns in der Schweiz, dann überall am Oberrhein, in den ehrwürdigen Städten, in Konstanz, in Basel, in Mühlhausen, in Colmar, auch in Straßburg, dann den Rhein abwärts in Speyer, in Worms, überall, wo Juden waren, in Stuttgart, in Nürnberg, in Weißenfels und in vielen hundert anderen Städten - überall sind sie auf den Scheiterhaufen verbrannt worden. Zu tausenden, zu zehntausenden.
    Es wird nie wieder so sein im Reich mit den Juden, wie es war!
    Man wird sehen, was daraus wird. Zinsen dürfen die Städte ja keine nehmen - aber Geld haben sie auch keines, um es zu verleihen! Eines Tages werden wir, so Gott es will, wieder Juden holen müssen, damit unsere Geschäfte gut gehen.
    Der Herr möge Euch bewahren. Die Pest ist schon in der Schweiz!
     
    Der Herr sei Euch gnädig.

ZEITTAFEL
    751-911
Herrschaft der Karolinger
800
Am Weihnachtsfest wird Karl der Große in Rom von Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt.
919-1024
Herrschaft der Sachsen (Ottonen)
936 - 973
Regierungszeit Ottos des Großen, 962 zum Kaiser gekrönt
955
Der spätere Kaiser Otto der Große besiegt auf dem Lechfeld bei Augsburg die Ungarn.
1024-1125
Herrschaft der Salier
1066
Schlacht bei Hastings; Wilhelm der Eroberer gründet das englische Königreich.
1077
Gang nach Canossa: Der spätere Kaiser Heinrich IV. löst sich im Investiturstreit auf der Burg Canossa in Oberitalien vom Bann Papst Gregors VII.
1099
Eroberung Jerusalems im 1. Kreuzzug
1122
Kaiser Heinrich V. beendet den Investiturstreit mit dem Wormser Konkordat.
1138-1254
Herrschaft der Staufer
1152-1190
Regierungszeit Friedrichs I., genannt Barbarossa, 1155 zum Kaiser gekrönt
1190
Kaiser Friedrich Barbarossa kommt auf dem 3. Kreuzzug im kleinasiatischen Fluss Saleph ums Leben.
1190 -1197
Regierungszeit Kaiser Heinrichs VI., 1191 zum Kaiser gekrönt
1204
Eroberung und Plünderung von Konstantinopel durch die Kreuzfahrer im 4. Kreuzzug.
1208
Ermordung König Philipps in Bamberg, im selben Jahr Tod der Königin Irene von Byzanz auf der Burg Hohenstaufen
1207-1231
Heilige Elisabeth von Thüringen
1212
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