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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
Autoren: Guenther Bentele
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Untertanen in Savoyen.
    Aber für mich bewies die Tatsache, dass die Juden ruhig in ihren Häusern blieben, erst recht ihre Schuld - sie wollten uns täuschen! Und wären sie geflohen, so hätte uns auch das angezeigt, dass ihre Schuld bewiesen ist! Niemand soll sich verwirren lassen; dies ist kein Widerspruch! Es hat nur den Anschein des Widerspruchs für den, der vergisst, dass die Juden ja wirklich schuldig waren, unumstößlich, ganz gleich, ob sie flohen oder nicht! Fliehen oder bleiben - sie trugen Schuld!
    So einfach ist das.
    Als gräflicher Commissarius ließ ich mich von der allgemeinen Angst der Bevölkerung nicht mitreißen, sondern blieb ruhig und beobachtete alle verdächtigen Geschehnisse genau.
    Freilich hatte ich Maßnahmen ergriffen, die nicht nur zur Aufdeckung von Verbrechen gut waren, sondern auch dafür, ihnen mit Macht zu begegnen. Schon bevor sie begangen wurden!
    • Viel Geld hatte ich ausgesetzt für jeden, der vom eigenen Hören wusste, wie ein Jude zu einem andern von Giftmord redete oder von Verschwörung gegen die Christenheit, und der uns das beschwor.
    • Eine hohe Geldsumme war ausgesetzt für jede Anzeige, die dazu half, einen Juden festzunehmen, der sich in ungewöhnlicher Weise an Brunnen zu schaffen machte.
    • Eine besonders hohe Summe Geldes stellte ich in Aussicht für einen jeden, der Gift im Besitz von Juden nachweisen konnte, indem er das nämliche Gift und seinen Besitzer dem Gericht anzeigte.
     
    Nun brauchte ich nur noch zu warten.
    Ich blieb freilich nicht untätig: Richter mussten instruiert, Foltergeräte einsatzbereit gemacht werden. Henker und Henkers-knechte mussten bereit sein. Das alles kostete viel Geld und Mühe. Man muss den Kaufleuten von Lausanne, Montreux und Bern dankbar sein, die dieses Geld für den öffentlichen Aufwand und für meine persönliche Mühe bereitstellten.
    DOKUMENT 4
    Der Commissarius von Savoyen in Montreux am
Genfer See, Schloss Chillon, in der Grafschaft
Savoyen

Prozess gegen vier Männer und eine Frau der Vergiftung von Brunnen wegen.
    Unsere Gewährsleute hatten einen guten Fang gemacht: Sie brachten den Wundarzt Balavignus aus Thonon, am Südufer des Genfer Sees gelegen, vor unser Gericht. Ein Jude, schon dadurch verdächtig, dass er ein Arzt war, also ein Mann, der seinen Beruf im Gebrauch von Giften sieht. Deshalb waren die Gewährsleute eingedrungen in sein Haus und hatten mehrere Säcklein gefunden, gefüllt mit Gift.
    Lange leugnete der Arzt, wie nicht anders zu erwarten, auch als er peinlich unter der Folter befragt wurde. Er redete viel Unsinn über eine Gefahr, dass jedermann von der Seuche ebenfalls befallen werden könne, käme er nur in die Nähe der Todkranken. Dass die Seuche weitergeht von einem zum anderen, das brauchte er uns nicht zu sagen. Wir wussten es längst - eine jede solche Plage pflanzt sich fort auf diese Weise. Bedeutsam aber ist die Frage danach, wodurch sie ihren Anfang nimmt.
    Die Folter des Judenarztes dauerte Stunden und Stunden in dem von Pechfackeln nur schwach erhellten Gewölbe und war qualvoll für die Herren des Verhörs und für den Henker und seine Knechte, selbst für mich, den Commissarius, der ich der Sache nur beiwohnte und nicht selbst eingriff. Es war das Geschrei des Gefolterten und schließlich sein Stöhnen: Viermal musste die Befragung unterbrochen werden, weil einer der Herren die Marter, der er beiwohnte, nicht mehr ertrug und von sich geben musste, was er zuvor gegessen hatte.
    So waren alle erlöst, als Balavignus, der Arzt und Jude, schließlich gestand und zu aller Erleichterung verurteilt werden konnte: zum Tode durch das Feuer. Das Geständnis bewies seine Rechtmäßigkeit nicht allein für die Verpestung der Brunnen, sondern erbrachte auch Gewissheit über die Herkunft des Giftes: Ein Muslime aus der heidnischen Stadt Toledo hatte es ihm und anderen Juden durch einen jüdischen Boten in einem ledernen Beutel auf ihr Begehren überbringen lassen und half ihnen somit bei ihren Plänen, die Christen auszurotten!
    Er hat auch gestanden, dass er selbst das Gift im Hauptbrunnen der Stadt unter einem Stein ausgelegt habe und - besonders wichtig - dass er seiner Frau und seinen Kindern verboten habe, aus diesem Brunnen zu trinken!
    Wir haben nach dem Arzt die Jüdin Belieta gehört und mussten auch sie foltern, da sie nicht freiwillig gestehen wollte: Sie hat zuerst zugegeben, das Gift gelegt zu haben, damit die Christen krank würden. Erst auf vermehrte Folter hat sie
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