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Aufstand der Fischer von St. Barbara

Aufstand der Fischer von St. Barbara

Titel: Aufstand der Fischer von St. Barbara
Autoren: Anna Seghers
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war herumgeschlendert, hatte immer nur Bohnen gedacht, wie sie schmecken, wie sie aussehen? wie sie rochen, endlich waren sie da, nein, diese beiden Brocken gehörten noch ihm, Andreas. Er schrappte sie schnell zusammen, schluckte. In der Lücke zwischen Essen und Aufstehen sagte plötzlich Kedenneks Frau, – sie sagte das seit einigen Wochen immer genau so: „Jetzt ist genug, das hab ich genau eingeteilt, das Fett und die Bohnen, und alles, daß es reicht auf den Winter." – Die Kinder schauten die Mutter an, Kedennek starrte geradeaus mit starren, harten Blicken, mitten durch die unsinnigen Dinge, die man an Land um ihn herum aufgepflanzt hatte – vier Wände und eine dickbäuchige Frau und Bohnen und Kinder und Hunger. Die Kinder sahen wieder auf Andreas' Teller, da war er leer, die Brocken waren weg. Andreas drehte den Kopf, aber die Kinder sahen ihm zornig gerade ins Gesicht. Andreas zuckte zusammen, die Brocken waren drunten, er hatte noch immer Hunger und schämte sich.
    Es war entsetzlich stickig im Alkoven. Andreas dachte, dieser Cleve stinkt schrecklich, was macht er sich dick, der stößt mich noch raus, gleich ist die Zeit zur Wache. Er fuhr auf, er war nicht zur See, das war nicht Cleve, sein Kamerad, sondern die feuchten Körperchen von Kedenneks Buben. Andreas hatte sofort einen Stich: die Bohnen. So was durfe nie mehr geschehen. Er tippte das Kleine an, das schwitzte kränklich im Schlaf. Andreas dachte, seine Kinder würden mal anders aussehen, keine ZweiBrocken-Bohnen-Tarifinder. Es kam ihm einfach vor, alles zu ändern. Er brauchte nur die Hände an den Mund zu legen, alle zusammenbrüllen. Aber Andreas brüllte nicht. Er preßte die Lippen zusammen, weil alle schliefen. Drüben in der Wand schlief Kedennek, hinter seinem Rücken zusammengerollt die Frau. Jede Sekunde wurde die Luf um fünf Atemzüge dicker. Andreas dachte wieder an die Bohnen, ekelte sich davor, hatte aber Hunger. So ein Hunger. Bald setzte er sich da, bald dort in einem fest. Steckte bald im Kopf und saugte einem hüpfende lustige Hungergedanken heraus, bald im Herzen und machte es brennen und klopfen, bald in die Hände und machte sie weich wie Butter, und bald fuhr er einem zwischen die Beine in den Schoß. Andreas kroch vorsichtig über die Kinder, kleidete sich an, machte die Tür so wenig wie möglich auf, um den Wind nicht herein zu lassen, stemmte sich dagegen und schlüpfe heraus. Wie Schüsse in der Nacht, krachte das Meer gegen die Felsen. Die Hütten auf der Höhe duckten sich noch enger zusammen. Andreas stieg weiter. Er kam in die Schenke, da lungerten noch ein paar herum. Andreas fragte bloß: „Ist sie da?" – „Ja, droben."
    Dann war es nicht ganz so, wie er sich's vorgestellt hatte, keine so großartige Sache und auch keine so schlimme. Sie hatte ihm erst mal was zu essen zugestopf, er hatte dagesessen, geblinzelt, dann hatte sie gesagt: „Was schleichst du denn immer um mich herum, wie die Katz um den heißen Brei?" Dann hatte sie ihn genommen, einfach und schnell war alles gegangen. Die so schrecklich viel von dieser Sache zu reden pflegten, dachte Andreas, und so viel Wesens draus machten, das waren nur Dummköpfe. Morgens träumte er dann wieder, er schliefe mit Cleve und dann mit Kedenneks Kindern, er wurde ganz wirr und mußte lachen über das Fremde, Spitze in seinem Arm. Er drückte sich noch herum. Er gefiel Marie gut, sie sagte gleich: „Komm nur immer wieder." Schließlich mußte er gehen, er machte die Tür auf, wurde ein bißchen traurig. Das war genau so, wenn man an Land kam, jetzt kam wieder all das Alte, die Stube, der Winter und die Kinder und Bohnen. Andreas kletterte die Treppe hinunter, machte die Tür zur Stube auf. Früher hatte er immer gedacht, man müßte sich schämen, da durch zu gehen, aber jetzt war's ihm einerlei. An der Wand lehnten zwei aus dem Dorf. Vorn am Fenster saß Hull. Er drehte ihm den Rücken, aber Andreas erkannte ihn doch. Er ging jetzt nicht durchs Zimmer, sondern blieb stehen, die Hand auf der Türklinke.
    Am vorigen Abend hatte Hull den Fischern zugeredet, die Versammlung nicht erst auf den nächsten Monat, sondern schon auf den kommenden Sonntag einzuberufen. Hull war ruhig und sorglos. Niemand konnte ihm etwas anhaben. Er konnte bleiben und fortgehen, wie er wollte. Er hatte zwar sagen hören, daß von nächster Woche ab der Dampferverkehr nach der Insel eingestellt würde bis auf den monatlichen Postdampfer, aber er wollte mindestens noch einen Monat
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