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Aufstand der Fischer von St. Barbara

Aufstand der Fischer von St. Barbara

Titel: Aufstand der Fischer von St. Barbara
Autoren: Anna Seghers
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in der Luf ruhenden Vögel über dem Markt, ja über der ganzen Bucht. Aber die Häuser waren längst an die Transportgesellschaf verpachtet. Die Gesellschaf der vereinigten Reedereien hatte ihren Sitz in Sebastian und eine Niederlassung in dem kleinen viereckigen Hause, das neu gebaut worden war, da wo der Marktplatz an den Kai des Seglerhafens stieß. Auf dem Markt wurde nur noch Abfall für die Einheimischen und Umliegenden verkauf, und der ganze übrige Fang sogleich von den Schiffen aus ins innere Land verschickt. Am späten Abend war der Segler „Marie Farère" angekommen, Tage, ja Wochen später, als er erwartet worden war. Er war schon verloren gesagt, da kam von der Insel das Gerücht, daß er mit beträchtlichem Fang hinter dem Rohak aufauchte. In der Nacht war er wirklich gekommen. In aller Frühe standen die Weiber vor der Tür des Reedereibüros, um Arbeit beim Einund Ausladen zu erhalten.    Seit vier Jahren hatte die „Marie Farère" ununterbrochen Glück. So schlecht die Jahre waren, sie hatte immer einen gut mittleren, einmal sogar einen sehr guten Fang.    Jetzt tönte die Stimme des Schiffes weit über den Platz. Unermüdlich dehnte er die Zahlen im alljährlichen Liede des Fischzählens. Nach jedem Takte klappte er zwei platte, steinharte Fische wie Brotscheiben aufeinander und häufe sie zu Schichten von zwei Dutzenden. Die Frauen liefen vom Kai zum Lagerhaus. Da kam Kedenneks Frau, sie war schwanger, aber so hager, daß ihr Bauch wegstand wie ein Knorz von einer dünnen Wurzel. Auch Kedenneks Frau hatte mal in ihrer Haube etwas Besseres zusammengebunden als ein spitzes Kinn und ein paar Backenknochen, es war gar nicht mal so lange her, da hatte auch sie einen Schoß und eine Brust gehabt.    Der Schiffer rief die letzte Zahl über den Markt, den letzten langgezogenen Ton eines Liedes. Kedenneks Frau lief nochmal zurück, blieb stehen und sah sich nach allen Seiten um nach einem Körnchen Arbeit. Der Schiffer, es war ein Nachbar und Verwandter, Franz Bruyk, rief ihr zu: „Nu, Marie, wann geht's los?" – „Auf Weihnachten!" – „Bist aber gehörig dick, da sind wohl zwei drin?" – Die Kedennek erwiderte nichts, sah ihn böse an. Sie ging weiter, drehte sich nochmal um und sagte: „Bei uns daheim ist ein Sprichwort: das Glück macht den Dummen breite Mäuler."    Auf dem Kai saß ein Dutzend Fischer. Zwei standen auf, kamen zu Bruyk herüber und steckten einander die Pfeifen an. Einer sagte: „Du, Bruyk, ist das wahr, daß dein Junge an Ostern auf die Navigationsschule nach Port Sebastian kommt?" – „Ist wahr!" – „Das hat wohl der Kapitän gemacht bei dem alten Bredel!" – „Ja, so." – „Hätt mich nicht eingelassen!" – „So, nicht eingelassen, – na hör mal du, ich will dir was sagen, ich weiß schon, was ihr für Sachen macht, aber mit mir könnt ihr da nichts anfangen, freßt sie nur auf, die Suppe, die ihr euch einbrockt." – „Jetzt will ich dir mal was erklären, Bruyk", sagte ein Fischer, er legte Bruyk die Hände auf die Schultern, „weil du ein bißchen Glück hast, Bruyk, und weil dein Rotzbub auf die Schule soll, willst du, daß aus der ganzen Sache nichts wird.    Die Leute von der „Marie Farère" waren beim Aufräumen an Bord. Sie kamen auf den Steg. Die Fischer vom Kai kamen auch heran. Jetzt standen sie sich gegenüber in ungefähr zwei gleichen Haufen. Bruyk schüttelte die Hände des Fischers von seinen Schultern. Der Fischer stieß ihn mit der Faust gegen die Brust. Einen Augenblick später lagen sie miteinander, halb auf dem Steg, halb im Wasser. Kedenneks Frau stellte den Korb ab, schnaufe und sah mit zu, ihren herunterziehenden Bauch mit beiden Händen festhaltend. Aus dem Büro kam der Aufseher herausgelaufen und schimpfe.    Kedenneks Frau stellte ihren Korb zum zweitenmal ab und sah jetzt ausschließlich dem Aufseher mit zu. Plötzlich drehte sich der Aufseher nach ihr um. „Was stiert Ihr denn? Macht, daß Ihr fertig werdet!" – Kedenneks Frau nahm langsam den Korb auf. Ihr Bauch zog, ihr Gesicht war nachdenklich.
    Am Marktplatz, neben der Transportgesellschaf, stand das kleine, frischgetünchte Gasthaus. Hinter dem blanken Schiebefenster, in der niedrigen, nach Sand und Schmierseife riechenden Gaststube, saßen ein gutes Dutzend Männer um den Tisch. Die Gesellschaf pflegte alljährlich einen Angestellten zum Abschluß mit den Kapitänen herüberzuschicken. Diesmal war es einer von den jungen Bredels selbst, dem es
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