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Aufstand der Fischer von St. Barbara

Aufstand der Fischer von St. Barbara

Titel: Aufstand der Fischer von St. Barbara
Autoren: Anna Seghers
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bleiben. Er hatte die Nacht über drunten geschlafen. In aller Frühe waren noch einmal die beiden Männer gekommen, welche die Ortschaften bis zur Grenze abgehen und die Leute auf die Versammlung rufen sollten. Sie hatten noch allerhand zu fragen. Hull ging es durch den Kopf, wenn er die Männer wegschickte, dann wußten in einigen Wochen alle, wo er war, sie würden ihn einfangen, alles würde ein Ende haben, er wollte aber kein Ende, er wollte doch noch ganz was andres als nur St. Barbara, Wasser und Kameraden und Weiber und andre Hafenstädte und nochmal, noch of April.
       Die Fischer drückten ihre Mützen gegen die Knie und bewegten im Nachdenken ihre Kiefer, als mahlten sie unzerkaute Bissen. Sie erwarteten geduldig Hulls Antwort. Hull redete ihnen nochmal zu, die Leute aus Blé, Elnor, Wyk usw. unter allen Umständen, wenn nötig unter einem Vorwand, auf den ersten Sonntag nach St. Barbara zu bringen. Die Leute gingen.    Andreas stand noch immer auf der Treppe. Er betrachtete noch immer eingehend Hulls Rücken. Hull hatte den Kopf in den Händen und rauchte. Er merkte nicht, daß ihn jemand von hinten betrachtete. Der hat es gut, dachte Andreas, als ob er es von Hulls Rücken ablesen könnte, der wird nie mehr so einen langen Landwinter erleben. Nie mehr wird er in so eine Stube zurückkehren müssen, wie ich jetzt.
    Die Leute von St. Blé und von St. Elnor und noch weiter auseinanderliegenden Ortschafen bis zur Landesgrenze im Nordosten und bis Port Sebastian im Südwesten, kamen am Sonntag nach St. Barbara, das genau in der Mitte lag, um über ihre Angelegenheiten zu beraten. Sie zogen früh in der Dämmerung ab, die meisten über die Landstraße, die einen Kilometer vom Meer entfernt, längs der Küste führte. Einige Weiber wollten auch mit, sie hatten Verwandte in St. Barbara und benutzten die Gelegenheit. Die Weiber hatten auch Kinder bei sich, die hätten zu Hause geheult. Von vorne schlug ihnen der regennasse Winterwind entgegen, von hinten zogen die Weiber, schlechte Gewichte. Die Fischer stellten die Kragen hoch und zogen mürrisch und verdrossen. Einer wollte was zum andern sagen, der Wind verstopfe ihnen die offnen Mäuler. Hinter ihrem Rücken heulte laut ein Kind auf, Franz Ked dachte: Das ist meins, – Franz Ked aus St. Elnor dachte: Das ist mein Jüngstes, und das Neue kommt vor Neujahr, keine zwei Fünfel Anteil müßten wir haben, mindestens drei Fünfel, sieben Pfennig das Kilo und neue Tarife. – Anton Bruk dachte: Gut, daß die Frau zu Haus ist. Mindestens drei Fünfel Anteil und sieben Pfennig das Kilo und neue Tarife. Verfluchter Regen. – Elmar aus Blé dachte: Das war mal eine in Port Sebastian. Was das wohl gibt in St. Barbara? Neue Tarife müßten wir haben und sieben Pfennig das Kilo. – Jan Dik dachte: Meine Mutter, die macht's nicht mehr lang, so ein bißchen Gesöff wär gut jetzt. Neue Tarife müßten wir kriegen und drei Fünfel Anteil.
       Zwischen den Dünen war eine kleine Mulde, da blieben sie stehen, tranken eins, einer sagte: „Was das wohl gibt in St. Barbara?" und der andre: „Ja, ob da was raus kommt?" Sie zogen weiter, die Straße war weich, der Regen war dicht, die Kiefer erstarrten. Einer sagte: „Da kommt was!" Sie drehten die Köpfe. Aus den Äckern, gegen die Straße, aus einem Dorfe landeinwärts kam ein kleiner schwarzer Trupp wie sie, sie warteten, nickten sich zu, liefen schweigend weiter. Dann war vor ihnen nochmal ein schwarzer Punkt, das waren die Leute aus Wyk, die warteten jetzt auf sie, sie liefen alle zusammen. Das war, als ob die paar Dörfer, die seit einer Ewigkeit jedes für sich in den Dünen schliefen, aufwachten, im Regen zusammen krochen, um es wärmer zu haben. Ungewohnt war es, so viele zusammen zu sein und ganz unnütz.    Der Regen wurde dünner, aber spitzer, die Kinder weichten auf und quengelten. Die Weiber wurden vom Schleppen verdrießlich. Ein paar junge Burschen von vorn liefen auf eine Höhe, schrien Ahoi, winkten mit den Armen. Wieder kam ein halbes Dutzend, diesmal vom Strand her. Die Neuen sagten: „Ihr seid aber mal viel." Wirklich, sie sahen sich um, sie waren jetzt schon ein langer Zug. Sie machten gleich einen kleinen Umweg nach Wyk, nahmen von dort ein paar mit, jetzt hatten sie schon Lust danach, ein immer längerer Zug zu werden. Sie kamen gegen die Bucht. Drunten, unter den ausgebreiteten Flügeln seiner Giebel, lag St. Barbara. Von der andren Seite her kam ein Zug, genau wie der ihre, gegen die
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