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149 - Auf Messers Schneide

149 - Auf Messers Schneide

Titel: 149 - Auf Messers Schneide
Autoren: Bernd Frenz
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Eingehüllt von Nebel und Dunkelheit, bewegte sich das Heer der Bluttempler lautlos voran. In einer weit auseinander gezogenen Reihe setzten sie einen Fuß vor den anderen, ohne Fackeln oder andere Lichtquellen. Das war auch nicht nötig.
    Die Augen ihres Volkes hatten sich im Laufe der Generationen an ein Leben im Zwielicht gewöhnt.
    Mit dem scharfen Stahl an ihren Hüften und der Finsternis über ihren Köpfen fühlten sie sich ganz in ihrem Element. Bei dieser Witterung verwischten ihre braun durchwirkten Kapuzenumhänge jede Körperform, sodass sie beinahe völlig mit der Umgebung verschmolzen.
    Radek, der die Truppe anführte, blieb trotzdem wachsam.
    Äußerlich war er kaum von seinen Kriegern zu unterscheiden. Genau wie sie trug er einen engen, mit brünierten Metallschnallen versehenen Lederanzug unter dem Mantel. Selbst das eingestickte Emblem in Schulterhöhe, zwei gekreuzte Schwerter in einem Kreis, glich dem der anderen.
    Und doch gab es etwas, das Radek über die Masse hinaushob. Nichts Sichtbares, das man mit Händen greifen konnte, sondern etwas, das sich nur spüren ließ. Eine Ausstrahlung von Macht und natürlicher Autorität, von dem gleichen telepathischen Sinn gespeist, der ihm fremde Gedanken anzeigte und offenbarte.
    Die angespannte Konzentration seiner Begleiter löste ein angenehmes Prickeln in ihm aus. Sie gab Radek Rückhalt und Sicherheit, ganz im Gegensatz zu dem aufblitzenden Bild, das unversehens seine Gedanken kreuzte. Für die Zeitspanne eines Fingerschnippens sah er die Schemen der anrückenden Bluttempler aus einer fremden, weit entfernten Perspektive.
    Nur ein paar Kapuzenspitzen, die den Nebel zerteilten, mehr nicht, trotzdem haftete diesem Anblick ein Gefühl der Gefahr an.
    Als Radek klar wurde, was das zu bedeuten hatte, hielt er sofort inne und ging auf die Knie. Die anderen folgten seinem Beispiel, ohne einen Befehl abzuwarten. Diejenigen, die selbst mit der Magie des inneren Auges gesegnet waren, spüren, dass er Gefahr witterte, alle anderen vertrauten einfach darauf, dass er wusste, was er tat.
    Eine Hand am Degengriff, die andere auf dem Boden abgestützt, so spähte Radek nach vorn. Die gleiche Nebeldecke, die ihn verbarg, blockierte auch seine Sicht, trotzdem machte er einige Felsen aus, etwa vier- bis fünfhundert Schritte entfernt. Die steil aufragenden Blöcke mit den scharfkantigen Graten passten nicht recht in die Landschaft, sondern wirkten, als ob sie einfach vom Himmel gefallen und im Boden stecken geblieben wären. (Genau das war auch passiert, vor über fünfhundert Jahren, als sich der Komet »Christopher-Floyd« in den Boden gebohrt und einen tödlichen Steinregen ausgelöst hatte.)
    Irgendwo dort drüben, versteckt hinter einen Vorsprung, lauerte ein intelligentes Wesen, das ihren Vormarsch mit Sorge betrachtete. Anders ließ sich der aufgefangene Emotionsfetzen nicht erklären.
    Radek schloss die Augen, öffnete seinen Geist und tastete die Umgebung nach fremden Gedanken ab. Es dauerte nicht lange, bis er eine unbekannte Präsenz erfasste. Er spürte sie, wie ein Frierender den warmen Hauch eines Feuers spürt, doch mehr als die bloße Anwesenheit des anderen ließ sich nicht bestimmen. Sobald er versuchte, die fremden Gedanken zu durchdringen, überliefen ihn kalte Schauer.
    Am Ende stieg sogar Übelkeit in ihm auf.
    Menschen konnten das nicht sein; deren Gedanken konnte er lesen. Mit bitterem Geschmack im Mund, zog Radek seinen Geist zurück.
    Sein Vordringen war leider nicht unbemerkt geblieben. Eine Welle der Unruhe schlug ihm entgegen. Erneut blitzten Bilder auf, die er entschlüsseln konnte. Radek sah eine kompakte Nebeldecke über der Steppe schweben, genau dort, wo sich die Bluttempler verbargen – aber auch kantige Reptiliengesichter, in deren Pupillen eine böse Intelligenz funkelte.
    Radek hörte, wie sich etwas leise von hinten näherte und neben ihm nieder ließ. Er wusste, dass es sich um Vukov handelte, noch ehe er die Augen öffnete.
    »Drachen-Dämonen«, beantwortete er flüsternd die unausgesprochene Frage des Waffenbruders. »Sie lauern vor uns, in den Felsen.«
    »Dabei liegt der Kratersee noch weit entfernt«, knurrte der Kampfgefährte zurück. »Das stinkt nach Verrat.«
    »Schon möglich. Vielleicht sind die Daa'muren aber auch nur vorsichtig, seit ihnen die Lufthoheit genommen wurde. Niemand hat uns versprochen, dass es einfach wird.«
    Vukovs Zorn, der eine spürbare Aura schuf, ebbte so rasch ab, wie er entstanden war. Schon
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