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Auf und ab - Mord in Hellwege

Auf und ab - Mord in Hellwege

Titel: Auf und ab - Mord in Hellwege
Autoren: Wilhelm Wuensche
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zu urteilen, was er inzwischen über sie wusste, würde sie das keine große Überwindung kosten. Sie stand wortlos da und sah ihn traurig an.
    Er sah eine Chance und begann zu reden.
    »Du willst doch heute nicht fliegen?«
    »Doch, und du wirst mich nicht daran hindern.«
    »Bei diesem Wetter?«
    Er machte einen Schritt nach vorn auf sie zu, und sie wich ein wenig zurück.
    »Du glaubst doch wohl nicht, dass ich noch nie durch Wolken geflogen bin, und bleib stehen, verdammt!«
    Der erste Schreck war vergangen, und mit der Hoffung kehrte bei Holten auch ein wenig Galgenhumor zurück.
    »Bin ich jetzt der Flugleiter, auf den du gewartet hast, damit du starten kannst?«
    »Nein, das nicht. Du wirst mir jetzt helfen, die anderen Maschinen wegzuschieben.«
    Um alle Flugzeuge unterzubringen, mussten sie eng und verschachtelt in den Hallen eingeparkt werden, und häufig mussten zwei oder drei Maschinen aus der Halle gerollt werden, um an eine ganz bestimmte heranzukommen. Diese manchmal beschwerliche Aufgabe erledigte an den Wochenenden der Technikdienst, an den Wochentagen mussten die Piloten sich selbst plagen.
    Marie würde ihn also nicht sofort erschießen.
    Sie standen noch immer einander gegenüber, Marie, mit der Pistole im Anschlag, ließ ihn nicht aus den Augen.
    Holten bewegte sich vorsichtig vorwärts und streckte die Hand aus.
    »Die Polizei ist schon unterwegs hierher«, log er, »sei vernünftig und gib mir die Pistole.«
    Sie wich leicht zurück.
    »Keine Chance. Geh jetzt in die Halle und schieb die Maschinen weg!«
    Holten rührte sich nicht.
    »Geh jetzt!«, schrie sie.
    »Das hat doch alles keinen Zweck, Marie. Wohin willst du denn?«, versuchte Holten es erneut und näherte sich ihr wieder.
    »Das lass nur meine Sorge sein. Ich habe gute Freunde in Polen.«
    Sie hob die Pistole höher.
    »Bleib mir vom Leib, ich sage es dir nicht noch einmal! Ich erschieße dich, wenn du näher kommst! Ich schaffe es, wenn es sein muss, auch allein, die Maschinen wegzuschieben.«
    Das klang nicht sehr überzeugend, und Holten fasste Mut.
    »Meinst du, in Polen gibt es keine Polizei und keine Verbindung zu Interpol?«
    »Hier gibt es auch kluge Polizisten, und keiner hat mich erwischt.«
    Holten war nicht entgangen, dass ihr Tonfall trotz dieser Aussage ein wenig kleinlauter geworden war, und er beschloss, in die Offensive zu gehen. Er trat plötzlich dichter an sie heran und befahl:
    »Gib mir die Pistole!«
    Überrascht machte sie zwei Schritte rückwärts und trat dabei in das Hinterrad von Holtens Fahrrad, das, von ihr unbeachtet, hinter ihr lag. Der Absatz ihres rechten Schuhs verfing sich in den Speichen, sie verlor das Gleichgewicht und fiel, vom Schwung ihrer Rückwärtsbewegung getragen, mit dem Rücken heftig auf das Fahrrad. Sie stieß einen Schmerzensschrei aus, während die Pistole über das Betonpflaster schlidderte.
    Holten, von der plötzlichen dramatischen Wendung der Ereignisse auch überrascht, reagierte jedoch sofort und stürzte sich auf die Waffe.
    »Hilf mir«, stöhnte Marie, als Holten mit der Pistole in der Hand neben ihr stand.
    »Damit du noch einmal versuchen kannst, mich umzubringen?«
    Sie weinte jetzt.
    »Ich musste es doch tun.«
    »Nur sterben musst du – irgendwann – und vorher lange ins Gefängnis.«
    »Hilf mir bitte, ich kann mich nicht bewegen«, schluchzte sie und versuchte dabei schwerfällig, zunächst die Beine und dann ihren Körper vom Fahrrad zu rollen. Er konnte ihr ansehen, dass sie höllische Schmerzen haben musste, vielleicht hatte sie sich bei dem Sturz einige Rippen gebrochen.
    › Und sie bewegt sich doch ‹ , dachte er ohne Mitgefühl.
    Er musste von Taten benachrichtigen, durfte sie jedoch nicht allein ohne Bewachung hier liegen lassen. Als Polizist hatte er oftmals Handschellen mitgenommen, wenn eine Verhaftung anstand, doch nun besaß er gar keine mehr, und sein Handy steckte zu Hause am Aufladegerät.
    Wie sollte er das jetzt bewerkstelligen?
    Holten war auf dem Lande aufgewachsen und wusste, wie widerspenstige Rinder am Ausreißen von der Weide gehindert wurden: Mit einer Kette um den Hals und einem daran befestigten Holzpfahl hatten sie keine Möglichkeiten mehr, einen Zaun zu überspringen.
    Er bückte sich und löste das Fahrradschloss vom Gepäckträger. Dann legte er die Pistole außer Reichweite und drückte Maries Oberkörper herunter, sodass ihr Hals auf der Stange des Fahrrades lag. Sie schrie vor Schmerz, aus Wut oder Protest, aber das kümmerte
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