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Auf Umwegen ins Herz

Auf Umwegen ins Herz

Titel: Auf Umwegen ins Herz
Autoren: Sarah Saxx
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als hätte ich morgen ein Vorstellungsgespräch für eine Stelle, die ich unbedingt haben wollte, bei der ich aber schon im Vorhinein wusste, dass ich keine Chance haben würde. Bei diesem Gedanken zuckte ich zusammen. Welch ein Unsinn! Ich wollte doch keine Stelle bei ihm, keinen Platz in seinem Leben einnehmen, ich wollte lediglich das Gespräch hinter mich bringen und ihn dann ein für alle Mal aus meinem Leben streichen.
    Genauso, wie ich es bei Georg geschafft hatte.
    Endgültig!

    Schlaflos tigerte ich in meiner Wohnung auf und ab. Der Gedanke, ihn morgen nach so langer Zeit wiederzusehen, machte mich fertig. Ständig überlegte ich, wie unser Zusammentreffen verlaufen könnte, was er mir sagen würde. Ich war fest davon überzeugt, egal, was es sein würde, meine Einstellung bliebe unverändert – er war ein hinterhältiges Arschloch.
    Ein Gedanke beruhigte mich: Wahrscheinlich war er nicht mehr so anziehend wie als Teenager. Ich erinnerte mich an Isas Überlegungen zu seinem Äußeren und musste grinsen. Falls er sich wirklich die letzten Jahre hatte gehen lassen und sich zum Negativen verändert hatte, dann würde ich neben ihm umso mehr glänzen. Diese Vorstellung gab mir ein sicheres Gefühl.
    Kritisch betrachtete ich mich im Spiegel. Meine Figur war zwar nicht perfekt, aber ich war ziemlich zufrieden mit meinem Äußeren. Ich hatte typische weibliche Rundungen – „Titten und Arsch“, wie mir mal ein Mann galanterweise sagte (ob das nun ein Kompliment gewesen sein sollte, das sei mal dahingestellt). Auch der restliche Körper war halbwegs herzeigbar (woran ich ja auch dreimal die Woche im Fitnessstudio arbeitete). Ich trat etwas näher an mein Spiegelbild heran. Wenn auch mein Gesicht nicht wirkte, wie aus einem Modemagazin geschnitten, so wie das von Isa, fand ich es doch hübsch. Ich fuhr mit meinen Fingern durch die stufig geschnittenen, leicht naturgewellten Haare. Mit ihrem kräftigen Braunton bildeten sie einen schönen Rahmen um mein Gesicht. Meine Haut wirkte dank gelegentlichem Solarium und Sonnenbaden nicht mehr kränklich blass wie in der Schulzeit, sondern hatte einen schönen goldenen Ton. Ich gefiel mir, und das gab mir weitere Sicherheit.
    Wenn ich also davon ausging, dass er sein gutes Aussehen von früher verloren hatte … Okay, in diesem Fall würde ich ihm wahrscheinlich alleine optisch gesehen haushoch überlegen sein. Ich zwinkerte meinem Spiegelbild zu. Es würde ein Leichtes sein, ihn in Grund und Boden zu reden und ihm ein für alle Mal klar zu machen, dass er sich ab sofort von mir fernhalten sollte.
    Diese Überlegung versetzte mich in einen richtigen Höhenflug, und meine Unsicherheit verflüchtigte sich wie Rauch im Wind. Ich wurde richtig euphorisch, schaltete meine Anlage ein und tanzte wild zur Musik – ich fühlte mich einfach herrlich.
    Ruckartig blieb ich stehen. Mit großen Augen blickte ich mein Spiegelbild an und klatschte mir mit der Hand auf die Stirn. Ich wirbelte herum und rannte ins Wohnzimmer zurück, wo auch mein Laptop lag. Die Freundschaftsanfrage! Wenn ich die bestätige, hab ich Zugriff auf seine Bilder! Dann könnte ich mich vergewissern. Mein Herz klopfte hart gegen meinen Kehlkopf, als ich sie akzeptierte und auf sein Profil klickte.

Kapitel 2

    Erinnerungsstücke

    Was für eine Enttäuschung! Hätte ich die Anfrage nicht angenommen, wäre ich genauso schlau geblieben. Bis auf sein wenig aussagekräftiges Profilbild hatte er keine Fotos hochgeladen. Seine neunundzwanzig Freunde waren mir alle unbekannt. Laut seiner Chronik war er erst vor einigen Monaten Mitglied geworden. Er hatte in dieser Zeit nichts geposted, nur vor knapp einem Monat gratulierten ihm einige zum Geburtstag à la „Alles Gute, alter Mann :-P“. Die Gruppen, die er geliked hatte (TV-Serien, Regisseure, Musiker …), gaben mir genauso wenig verwertbare Infos über ihn wie der Rest seines Profils. Frustriert ließ ich mich in die Kissen zurücksinken.
    Zu meiner Enttäuschung gesellte sich der Ärger über mich selbst, da er jetzt ebenso mein Profil durchforsten konnte, und das war nun wirklich eine wahre Ansammlung von Informationen über mich. Unzählige Fotos von den Streifzügen gemeinsam mit Isa durch das Linzer Nachtleben. Bilder von meinem Wohnzimmer, die neue Couch, mein Kleiderschrank. Und natürlich ich in allen möglichen und unmöglichen Posen. Na toll.
    Ja und? Ich gehörte nun mal zu den Menschen, die gern übers Internet ihr Leben mit der ganzen Welt teilten.
    Ein
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