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Auf Umwegen ins Herz

Auf Umwegen ins Herz

Titel: Auf Umwegen ins Herz
Autoren: Sarah Saxx
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beide wohnten immer schon in dieser Wohnung. Als sie von Hubert, meinem Erzeuger, verlassen wurde, nachdem er erfahren hatte, dass meine Mama mit mir schwanger war, war sie gerade erst siebzehn. Sie hielt es so lange wie möglich vor ihren Eltern geheim, da sie nicht wusste, wie sie ihnen die Schwangerschaft und das Verschwinden von meinem Vater erklären sollte. Sie waren streng katholisch, und eine voreheliche Schwangerschaft bedeutete für sie die Eintrittskarte in die Hölle.
    Dieses Ticket hatte meine Mom dann tatsächlich gezogen, denn meine Großeltern schmissen sie aus dem Haus, kurz bevor sie ihre Ausbildung fertig hatte. Zu ihrem Glück gaben sie ihr etwas Geld als Startkapital mit, mithilfe dessen sie diese Wohnung mieten und spärlich einrichten konnte. Doch von diesem Tag an hatte sie keinen Kontakt mehr zu ihnen. Nur ihre jüngere Schwester Maria traf sie regelmäßig hinter dem Rücken ihrer Eltern und kämpfte sich somit mehr oder weniger alleine mit mir durch das Leben.
    Geld war nie im Überfluss vorhanden, und um uns Monat für Monat über die Runden zu bringen, arbeitete sie hart. Und um nicht jeden Tag alleine zu sein, ging ich regelmäßig ins Jugendzentrum.
    Erst seit vier Jahren hatte meine Mama wieder einen Freund. Martin war es von Weitem anzusehen, wie sehr er meine Mutter liebte. Er vergötterte sie vom ersten Tag an, und sie blühte vor Glück auf, wie nie zuvor.

    „Nein danke, ich hab noch Pasta von gestern über. Mama, ich bin auf der Suche nach etwas, das ich daheim nicht finden konnte. Ich muss kurz in mein altes Zimmer, vielleicht finde ich es dort.“
    „Natürlich! Stolpere aber nicht über die Bügelwäsche, die habe ich noch nicht weggeräumt.“
    Seit ich ausgezogen war, hatte der Bügeltisch seinen fixen Platz in meinem Kinderzimmer bekommen. Ansonsten ließ meine Mutter den Raum, wie ich ihn mir als Teenager eingerichtet hatte, für den Fall, ich würde irgendwann wieder bei ihr einziehen wollen.
    Nein, das hatte ich nicht vor, aber ich wollte sie in ihrem Glauben lassen. Abgesehen davon fand ich es schön, mich hin und wieder in die Welt meiner Kindheit und Jugend zurückziehen zu können. Denn trotz aller finanziellen Schwierigkeiten bot mir meine Mutter ein Nest der Geborgenheit und Sicherheit, und ich konnte behaupten, dass ich eine wundervolle Kindheit hatte.
    Ich setzte mich an meinen alten Schreibtisch mit der abgenutzten Oberfläche und öffnete nacheinander beide Schubladen. Doch außer Schreibutensilien, meinem alten Schultaschenrechner, Briefumschläge und Papier war darin nichts zu finden.
    Die Schubladen meines Nachttischs waren leer, aber darin hatte ich auch nichts von mir vermutet. Den Inhalt hatte ich beim Auszug eins zu eins in mein neues Schlafzimmer übersiedelt. Bücher, ein Kalender, und meine Creme, mit der ich mir abends meine Füße und Ellenbogen eincremte – eine Eigenheit, die ich mir von Miranda aus meiner Lieblingsserie abgeschaut hatte.
    Ratlos drehte ich mich im Kreis und ließ den Blick durch mein Zimmer schweifen. Ein Poster von Take That hing seit mehr als der Hälfte meines Lebens über dem Bett. Auf diesem waren sie noch jung – und zu fünft. Die Karte vom Konzertbesuch in der Wiener Stadthalle im April 1995 hatte ich mit einer Nadel ans Poster gepinnt. Kurz vor dem Konzert hatte Robbie Williams bekannt gegeben, dass er und Take That getrennte Wege gehen würden. Damals hatte ich wohl das erste Mal in meinem Leben so etwas wie Liebeskummer.
    Mein Blick wanderte weiter. Schräg über dem Poster hing ein Bücherregal an der Wand, in dem meine Kuschelrock-Romane verstaubten. Ich ging auf den Kleiderschrank zu. In ihm fand ich Wintermäntel und Skiunterwäsche sowie das Cocktailkleid meiner Mama, dort, wo früher meine Kleidung seinen Platz hatte.
    Ich wollte den Kasten schon fast wieder schließen, als ich am Boden unter dem Kleid eine kleine Box bemerkte, auf der mein Name stand.
    Ich zog sie heraus und setzte mich, um sie zu öffnen. Meine alten Tagebücher kamen darin zum Vorschein. In der Schulzeit vertraute ich meine Gedanken gerne dem stummen Zuhörer an. Meistens ging es dabei um die ungerechten Lehrer, die Zickenkriege in der Klasse und die häuslichen Streitereien, wenn ich mal nicht unter der Woche bei einer Freundin übernachten durfte.
    Schmunzelnd öffnete ich das oberste und blätterte es durch. Da fiel mir ein Name ins Auge, und ich musste den Eintrag lesen. Ich tauchte in die Welt der dreizehnjährigen Jana Sommer
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