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Auf Umwegen ins Herz

Auf Umwegen ins Herz

Titel: Auf Umwegen ins Herz
Autoren: Sarah Saxx
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ein:

    17. April 1997
    Liebes Tagebuch!
    Du wirst nicht glauben, was mir heute passiert ist. Ich glaube, ich habe mich verliebt!
    Wie jeden Donnerstag war ich heute wieder im „Boot“, und da habe ich IHN gesehen. Er heißt Julian König und ist gerade erst aus Salzburg mit seinen Eltern und seiner kleinen Schwester hergezogen. Er ist vierzehn Jahre alt und soooo süß! Seine Augen sind unglaublich, so schön blau, wie der Himmel im Sommer! Und seine dunkelbraunen, fast schwarzen Haare sind so niedlich verwuschelt, da möchte man am liebsten selber mit den Fingern durchfahren.
    Er hat ein Skateboard, mit dem er total irre Stunts drauf hat, und, was ich so rausgehört habe, spielt er im selben Fußballverein wie Daniel. Vielleicht schaue ich mit den Mädels beim nächsten Spiel zu ...?!
    Ach ja, und hab ich schon erwähnt, dass er süß ist??
    Oh Gott, ich kann es kaum erwarten, bis ich ihn wiedersehe!

    Unglaublich, dass das schon so lange zurücklag. Als ich diese Zeilen las, kam es mir plötzlich vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass ich Julian das erste Mal gegenüberstand.
    Wir hatten alle vor dem verschlossenen Aufenthaltsraum auf unsere Betreuer gewartet. Diese kamen in Begleitung von Julian und seiner Schwester Lena, die sie uns als neue Mitglieder vorstellten.
    Julian sah in die Runde und lächelte verschmitzt. Ich war hin und weg von seiner Erscheinung, mein Herz machte einen Hüpfer und schmolz anschließend dahin wie Eis in der Sommersonne. Ein Blick in seine Augen ließ mich alles um mich vergessen. Seine Haare standen strubbelig in alle Richtungen ab, als ob er eben erst aufgestanden oder bei einem Starfriseur gewesen wäre. Irgendwie stand ihm dieser zerzauste Look unglaublich gut.
    An seine Schwester konnte ich mich kaum erinnern. Sie war um einiges jünger als wir, vielleicht war sie acht oder neun Jahre alt, wenn mich nicht alles täuscht, und hing dadurch auch mehr mit gleichaltrigen Kindern rum.
    Ihre Eltern waren wie meine Mutter den ganzen Tag arbeiten und schoben ständig Überstunden. Zeit für ihre Kinder hatten sie selten. Das war vermutlich auch der Grund, warum die beiden bei uns Anschluss gesucht hatten, um nicht vor Langeweile daheim auf blöde Gedanken zu kommen.

    In gewisser Weise vermisste ich die Zeit, als wir uns unbeschwert und ohne „Erwachsenenprobleme“ durch das Leben kämpften. Die Zeit, in der ein Streit über eine ruiniert zurückgegebene CD noch zu den negativen Highlights zählte. Als man noch nichts wusste über den Alltagsstress der Arbeitswelt oder über Beziehungskrisen.
    Gut, Probleme mit den „Männern“ konnte ich jetzt nicht ganz ausklammern, oder besser gesagt Probleme mit dem einen.
    Die Erinnerung an den Tag, als ich Julian das vorletzte Mal sah, ließ mich erschaudern. Schnell versuchte ich, sie zu verdrängen. Ich warf das Tagebuch zurück in den Karton zu den anderen. Die Schachtel unter den Arm geklemmt, verließ ich schnell mein altes Kinderzimmer und eilte in die Küche zu meiner Mom zurück.
    „Hast du gefunden, was du gesucht hast, Kleines?“
    „Ähm … ja. Nein. Nun … nicht ganz. Oder … noch nicht. Ich hab die alten Tagebücher gefunden, aber ich hab noch nicht alle durchgesehen. Wenn du nichts dagegen hast, nehme ich sie mit nach Hause und schaue dort noch einmal alle in Ruhe durch.“
    „Aber natürlich, sie gehören ja dir.“ Lächelnd nahm mich meine Mutter in ihre Arme. „Wann sehe ich dich denn wieder?“
    „Ich bin noch gar nicht weg, und du fragst, wann du mich wiedersiehst? Manchmal machst du mir Angst, Mom, weißt du das? Du wirst doch nicht zur Klette?“
    Ihre braunen Augen leuchteten, als sie mir schmunzelnd einen Kuss auf die Wange gab. Abgesehen von der grünen Augenfarbe hatte ich wenig von meinem richtigen Vater geerbt. Ich sah aus wie die junge Version meiner Mama, und ja, ich war stolz darauf.
    „Nein, keine Sorge, aber ich liebe dich, und ich vermisse dich jeden Tag, an dem ich dich nicht sehe. Ich bin eben deine Mama, und als diese steht mir das zu.“ Ihre Umarmung war fest, und ich erwiderte sie mit gleicher Kraft. In ihren Augen würde ich wohl immer ihr kleines Mädchen bleiben.
    „Ich lasse mich sicher in den nächsten Tagen mal bei dir blicken. Ich weiß zwar noch nicht wann, denn ich habe eine ziemlich stressige Arbeitswoche vor mir, aber ich ruf dich auf jeden Fall an. Wann ist Martin wieder hier?“
    „Der holt mich morgen früh ab, wir wollen einen Ausflug machen. Irgendwo aufs Land, ein
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