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Auf einmal ist Hoffnung

Titel: Auf einmal ist Hoffnung
Autoren: Burk Michael
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gebeten, ihn noch vor Jennifer über den endgültigen Befund zu unterrichten. Er wollte nicht, daß sie es von Pollock erfuhr. Er selbst wollte es ihr sagen, ihr schonend beibringen.
    Noch am späten Abend dieses für sie so beschwerlichen Tages saß er wieder an ihrem Bett.
    Beinahe lautlos war er hereingekommen, hatte sich den Stuhl vor das Bett gestellt.
    Sie hatte die Augen geschlossen, aber sie schlief noch nicht. Zu viele Gedanken quälten sie. Sie war bei ihrem Vater gewesen, bei ihrer Mutter, hatte zum wiederholten Mal ihr eigenes Leben überdacht, konnte sich nicht damit abfinden, daß dies wirklich alles gewesen sein sollte. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.
    Sie spürte, daß jemand im Raum war, und schlug die Augen auf.
    »Du?« Sie sah ihn überrascht an. Das hagere, feinnervig wirkende Gesicht, die hohe Stirn, die warmherzigen Augen. Sie war dankbar, daß er da saß. Doch im gleichen Augenblick schnürte sich ihre Kehle noch stärker zu als vorher. Sie ahnte, warum er gekommen war.
    »Wie fühlst du dich, Jenny?« Er stellte seine Frage betont leise.
    »Ich habe keine Schmerzen«, antwortete sie ausweichend, und ihr Blick war voller Mißtrauen.
    »Hast du etwas von Patrick gehört?« Es sollte belanglos klingen, aber es mißglückte ihm.
    Sie blieb regungslos, schwieg, hatte die Lippen zusammengepreßt und unterdrückte ein Gefühl der Verzweiflung.
    »Hat dich die Untersuchung angestrengt?« fragte er teilnahmsvoll.
    Sie reagierte nicht.
    »Jenny, was ist los?« Er sprach zögernd. »Habe ich dich im Schlaf gestört? Überfordert dich mein Besuch? Soll ich wieder gehen?«
    Ihr Blick wurde feindselig, und sie schwieg noch immer.
    »Jenny!« sagte er behutsam und wollte ihre Hand streicheln, doch sie entzog sie ihm schroff.
    Er ließ ihr Zeit.
    Dann brach es aus ihr heraus: »Warum sagst du es mir nicht? Warum redest du drumherum? Glaubst du, ich fühle es nicht schon längst? Traust du mir nicht zu, daß ich das Schweigen um mich herum spüre? Das gefrorene Lächeln der Schwestern sehe? Die ausweichenden Antworten der Arzte höre?« Sie atmete heftig, hob die Stimme an: »Sag es mir endlich! Sag es mir, damit ich es hinter mir habe!«
    »Du hast recht, Jenny«, entgegnete er ernst, »aber du hast auch einen Schutzengel.« Wieder suchte er ihre Hand, streichelte sie, und Jennifer ließ es geschehen.
    Nach und nach ging ihr Atem gleichmäßiger. Eine Weile sahen sie sich stumm an. Doch dann nahm ihr Mißtrauen wieder überhand, und sie sagte beklommen: »Meine Mutter ist daran gestorben.«
    »Damals gab es noch kein Superfexon«, antwortete er tröstend, und er fügte gezwungen hinzu: »Ich weiß schon seit heute nachmittag, daß Patrick die ganze Menge sicherstellen konnte. Ich wollte vorhin nur nicht mit der Tür ins Haus …« Und ärgerlich über sich selbst sagte er: »Ach was! Ich habe mich vorhin einfach unmöglich benommen.« Er umfaßte ihre Hand fest, drückte sie bittend. »Kannst du mir verzeihen, Jenny?«
    Sie nickte, war beruhigt. Eine Pause trat ein.
    Doch bald kamen Jennifers quälende Gedanken wieder. »Wie stehen meine Chancen? Fünfzig zu fünfzig?« Wie von selbst hielt sie den Atem an.
    »Nein, Jenny, das war einmal«, besänftigte er sie. »Wir hätten in all den Jahren nichts geleistet, wenn es noch so wäre.«
    »Sechzig zu vierzig?«
    Er ging nicht darauf ein und sagte sanft: »Laß dir eine Geschichte erzählen. Eine wahre Geschichte. Sie hat sich schon vor vier Jahren zugetragen. Ein kleiner Junge war von einem Nasen-Rachen-Krebs befallen. Man hat es erst entdeckt, als die Krankheit schon ihr schlimmstes Stadium erreichte. Wenn ich mich recht erinnere, war der Junge aus Groveton. Er kam in die Krebsklinik nach Houston, wurde intensiv mit Superfexon behandelt und war nach einiger Zeit erscheinungsfrei, das heißt, er hatte keine Beschwerden mehr. Im vorigen Jahr hat er beim Sportfest seiner Schule den Hochsprung gewonnen.«
    Sie hörte ihn aufmerksam an, doch als er geendet hatte, sagte sie mit fester Stimme: »Eine Nasen-Rachen-Krankheit trifft nicht auf meinen Fall zu.«
    Er lächelte, war erfreut über ihre temperamentvolle Stellungnahme. »Ich wollte dir damit nur zeigen, daß Superfexon schon vor Jahren Erfolge erzielt hat. Und seitdem waren wir gewiß nicht untätig.«
    »Also sechzig zu vierzig?« griff sie ihren Gedanken von vorhin wieder auf.
    »Nein, Jenny, wesentlich besser.« Er dachte kurz nach und sagte entschlossen: »Ich will es dir erklären.« Wieder beugte er
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