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Auf einmal ist Hoffnung

Titel: Auf einmal ist Hoffnung
Autoren: Burk Michael
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Vorhang, hinter dem sich Waschgelegenheit, Toilette und Dusche verbargen, sah zum modernen grünen Schrank, der den einzigen kräftigen Farbfleck im Raum darstellte, sah zum Fenster, vor das die weiße Jalousie gezogen war, starrte an die Decke und haßte alle Krankenzimmer dieser Erde.
    Mit diesem Gedanken schlief sie ein.
    Sie hatte schon eine geraume Weile geschlafen, als es rücksichtsvoll an die Tür klopfte. Jennifer hörte es nicht. Dann wurde leise ihr Name gerufen, aber sie schlief weiter. Die Tür öffnete sich, ein Mann trat behutsam ins Zimmer, sah, daß sie schlief, hob sich lautlos einen Stuhl ans Bett und setzte sich, als wolle er ihren Schlaf behüten.
    Da wachte sie allmählich auf.
    Ihr Blick fiel auf die Zimmerdecke, auf die Jalousie, auf den Schrank, das Kreuz an der Wand und schließlich auf den Mann. Das durchgeistigte Gesicht. Die hohe Stirn. Der graue Haarkranz.
    Ihr Herzschlag nahm sprunghaft zu, ihr wurde heiß, sie hielt den Atem an. Sprachlos starrte sie auf den Mann, und ihre trockenen Lippen formten tonlos seinen Namen: »Onkel Louis?«
    »Hast du mich nicht erwartet?« fragte er sie leise voller Anteilnahme und legte seine feingliedrige Hand auf ihre.
    »Steht es so schlecht um mich?« Sie war noch verschlafen, wollte unbeschwert klingen, aber es gelang ihr nicht.
    »Ich bin hier, weil es mich bedrückt hat, daß ich mich feige aus der Affäre gezogen habe. Ich finde auch jetzt noch keine Erklärung dafür. Sicher aber war es für dich nicht angenehm, als du von Coblence erfahren hast, daß ich es nicht fertiggebracht habe, offen und ehrlich mit dir zu reden. Hoffentlich kannst du mir verzeihen.« Wie um seine Bitte zu unterstreichen, drückte er ihre Hand flüchtig.
    Sie ging nicht darauf ein und spielte die Tapfere. »Hast du uns nicht erzählt, daß man gegen Leukämie schon große Erfolge erzielt hat?«
    »Ja. Das stimmt. An die achtzig Prozent werden zur Zeit schon geheilt. Du brauchst also keine Angst zu haben, Jenny.«
    »Ich habe keine Angst«, sagte sie und richtete sich auf.
    Er sah ihr an, daß sie nicht die Wahrheit sprach, und streichelte beruhigend ihren Handrücken. »Ich habe mit Pollock gesprochen. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend.«
    »Was heißt das?« fraget sie leise herausfordernd.
    »Das heißt, daß er noch nichts gefunden hat.« Er bemühte sich, hoffnungsfroh zu erscheinen, aber sie spürte, wie seine Hand leicht zitterte.
    Als sie schwieg, fuhr er fort: »Es ist absolut möglich, daß Coblence sich getäuscht hat. Dann bist du in drei Tagen ein neugeborener Mensch.«
    Sie entzog ihm sanft ihre Hand. In ihr arbeitete es.
    Er senkte den Kopf und stellte mehr für sich selbst fest: »Man hat dich jetzt dreimal gründlich fotografiert, und Pollock geht äußerst gewissenhaft vor.« Dann hob er den Blick: »Er wird an jeder Einzelzelle gleichzeitig mehrere tumorassoziierte Parameter messen. Er kann also innerhalb einer großen Anzahl gesunder Zellen auch die kleinste Menge Tumorzellen ausfindig machen. Sogar noch weniger als ein Prozent.«
    »Sprich so, daß ich es verstehe.«
    »Er geht nach den allerneuesten Erkenntnissen vor. Du bist in den besten Händen, Jenny.«
    »Ich mag ihn nicht.«
    »Mein Fall ist er auch nicht. Aber wenn ich als Patient zu wählen hätte, würde ich mich für ihn entscheiden.«
    Eine Weile schwiegen beide, und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Sie schwankte zwischen Angst und Hoffnung. Er machte sich noch immer Vorwürfe, daß er ihr in Galveston nicht die Wahrheit gesagt hatte.
    Von neuem legte er seine Hand auf ihre, und sein Blick war aufmunternd. Als sie kaum hörbar beklommen fragte: »Hat er wirklich noch nichts festgestellt?« begann er mit gedämpfter Stimme besänftigend: »Die Möglichkeit, daß Coblence sich geirrt haben könnte, weil er bei seiner Diagnose unter Umständen von einer Unsicherheit getrieben wurde, soll man natürlich nicht überbewerten. Aber du brauchst dennoch keine Angst zu haben. Gleichgültig, wie der Stand der Erkrankung auch sein wird.« Er versuchte sie realistisch einzustimmen, damit sie nicht in uferlose Verzweiflung fallen würde, wenn Coblence leider recht gehabt haben sollte. Danach zeigte er ihr auf, wie heutzutage ein Blutkrebs behandelt werden konnte.
    Sie hörte ihm gespannt zu, genoß geradezu seine dünne Stimme und war glücklich, daß er bei ihr war. Sie fühlte sich bei ihm in Sicherheit und wurde um so ruhiger, je länger er sprach.
    Als er geendet hatte, lag ihr Blick
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