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Auf die feine Art

Auf die feine Art

Titel: Auf die feine Art
Autoren: Leena Lehtolainen
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fremd vor, blaurot aufgedunsen, die geschwollene Zunge hing aus dem Mund. Ich hätte ihr gern die entsetzt starrenden Augen zugedrückt, aber ich wusste, das durfte ich nicht tun.
    Ich kämpfte gegen den Brechreiz an. Zum Glück war die hintere Tür zum Haus offen, und das Telefon stand gleich im Flur. Bevor ich den Hörer anfasste, schützte ich ihn mit einem Stück Küchenkrepp, dann verständigte ich die Polizei, rannte ins Bad, drehte, wieder mit Küchenkrepp in der Hand, die Dusche auf und hielt den Kopf unter den Wasserstrahl. Nachdem ich mindestens einen Liter Wasser getrunken hatte, fühlte ich mich halbwegs imstande, wieder in den Garten zu gehen und auf den Einsatzwagen zu warten.
    Jede Einzelheit brannte sich in mein Gehirn ein. Die Bachstelze, die über das Blumenbeet hüpfte. Die Hummel, die von einer roten Blüte zur anderen surrte. Die Fliege am Saftkrug. Ich wollte Armi nicht ansehen, aber ich konnte den Blick nicht von ihr wenden. Und wozu auch – der Film, der in meinem Kopf eine Endlosschleife drehte, schob ihr purpurfarbenes Gesicht die ganze Zeit über alle anderen Bilder.
    Außerdem hatte ich mir in meinem früheren Beruf angewöhnt, alle Einzelheiten am Tatort zu registrieren. Und das hier war ein Tatort, Armi war erwürgt worden! Die Spuren auf der Erde ließen erkennen, dass sie sich heftig gewehrt hatte. Fußspuren waren auf dem Rasen nicht zu sehen, aber die Kriminaltechniker würden sicher irgendetwas entdecken.
    Die Streifenbeamten kamen ziemlich schnell und mit glänzenden Augen; offensichtlich war ein Mord eine erfrischende Abwechslung von der Alltagsroutine, die im Wesentlichen darin bestand, Betrunkene aufzulesen. Der Hauptwachtmeister stellte sich als Makkonen vor und nahm meine Angaben auf. Die anderen schienen erst mal zu überlegen, was jetzt wohl zu tun wäre. Ich ärgerte mich über ihre Untätigkeit und musste mich schwer im Zaum halten, um sie nicht anzubrüllen, sie sollten gefälligst den Tatort fotografieren und nach Fingerabdrücken suchen. Das wäre auch Blödsinn gewesen, denn sie waren ja einfache Schutzpolizisten, die nicht mal die nötige Ausrüstung hatten.
    Bis der Rechtsmediziner und die Techniker von der Bezirkskriminalpolizei eintrafen, dauerte es etwas länger. Den zuständigen Kriminalkommissar kannte ich aus der Polizeischule, es war Pertti Ström, Pertsa genannt, den wir damals mit dem gleichnamigen Spottlied von Eppu Normaali drangsaliert hatten. Pertsa, ich und Tapsa Helminen, der jetzt in Helsinki im Rauschgiftdezernat arbeitete, waren die Besten unseres Jahrgangs gewesen. Die beiden Männer waren mittlerweile befördert worden, während ich den Beruf gewechselt hatte. Allerdings hatte wohl auch Pertsa irgendwann Jura studiert, in Turku, soweit ich wusste.
    »Tag, Kallio«, sagte Pertsa verblüfft, als er mich sah. »Wann bist du denn zur Espooer Polizei versetzt worden?«
    »Überhaupt nicht. Ich hab die Tote gefunden.«
    »Kanntest du sie?«
    »Flüchtig. Sie ist die Freundin vom Stiefbruder des Schwagers meines … meines Freundes«, erklärte ich und wunderte mich selber über meine komplizierte Beinah-Verwandtschaft mit Armi. »Ich hab sie gestern erst kennen gelernt und wollte mir bloß ihre Nähmaschine leihen.«
    Pertsa nahm die Zügel in die Hand, die übliche Routine rollte an. Der Rechtsmediziner traf erst um Viertel vor drei ein und meinte, der Tod sei, grob geschätzt, vor ein bis drei Stunden eingetreten. Der Täter habe hinter Armi gestanden und sie mit den Händen erwürgt. Größe und Anordnung der Würgemale deuteten darauf hin, dass der Mörder verhältnismäßig große Hände habe, es handle sich also vermutlich um einen Mann. Stirnrunzelnd sah sich der Rechtsmediziner die Spuren an Armis Hals noch einmal an und meinte dann, sie sei wahrscheinlich nicht mit bloßen Händen erwürgt worden.
    »Das könnten Gummihandschuhe gewesen sein«, sagte er.
    »Mal sehen, ob wir drinnen Haushaltshandschuhe finden.«
    An dieser Stelle ging Pertsa endlich auf, dass ich als Außenstehende bei Gesprächen über Untersuchungsergebnisse überhaupt nichts verloren hatte. Er bat mich, vorläufig mit niemandem außer Antti über Armis Tod zu sprechen. Weitere Erklärungen waren überflüssig, ich kannte die Spielregeln.
    Kaum war ich ein paar hundert Meter geradelt, wurde mir wieder schlecht. Ich erbrach mein salziges Frühstück über die Ranunkeln im Straßengraben. Meine Beine zitterten derart, dass ich kaum imstande war, nach Hause zu fahren. Zum
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