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Auf die feine Art

Auf die feine Art

Titel: Auf die feine Art
Autoren: Leena Lehtolainen
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rote Gesöff ihre hübsche weiße Spitzenjacke bekleckert hatte. Nachdem sie die Jacke ausgezogen hatte, gab das knappe weiße Oberteil, das sie darunter trug, die von Brandwunden und Rasierklingenschnitten übersäten Arme frei. Ich hatte von diesen Armen schon gehört, aber damals sah ich sie zum ersten Mal in all ihrer Grausigkeit.
    Make war meinem Blick gefolgt.
    »Es wundert mich, dass sie mich eingeladen haben«, flüsterte er mir ins Ohr. »Wahrscheinlich wollen sie allen zeigen, dass sie mir verziehen haben.«
    »War Sannas Tod denn etwa deine Schuld?«, flüsterte ich zurück.
    »Wenn ich nicht so besoffen gewesen wäre, hätte ich sie daran hindern können, schwimmen zu gehen«, wisperte Make.
    »Und wenn du nicht blau gewesen wärst, wär Sanna es auch nicht gewesen. Weißt du, Make, so viel hab ich inzwischen gelernt, dass es sich überhaupt nicht lohnt, solche Spekulationen anzustellen.«
    Den Rat hätte ich mir am nächsten Tag selber geben können.
    Der Rest des Abends war eigentlich ganz lustig. Vielleicht lag es am Kognak oder an der guten Musik des Trios. Gegen halb zwei machten wir uns auf den Heimweg, zur gleichen Zeit wie Armi und Kimmo. Was Armi mir nachrief, war weithin zu hören:
    »Du kommst also morgen um zwei, dann können wir nähen und reden. Ich hab dich so viel zu fragen!«

Zwei
Eine Leiche im Garten
    Am nächsten Tag war es drückend heiß. Als ich gegen Mittag aufwachte, hatte ich einen ekelhaften Geschmack im Mund, und trotz Kaffee und einer langen kalten Dusche pochte es beharrlich in den Schläfen. Bevor ich mich auf den Weg zu Armi machte, nahm ich eine Kopfschmerztablette. Antti verkündete, er würde sich heute einen freien Tag gönnen, und ließ sich mit einer Anthologie französischer Lyrik im Garten nieder. Ich hätte mich am liebsten zu ihm gelegt, dann hätten wir uns unter den blühenden Traubenkirschen langsam und träge lieben können.
    »Falls ich nicht hier bin, wenn du zurückkommst, bin ich zum Schwimmen an die Mole gegangen.«
    »Warte auf mich, ich komm mit. Es dauert höchstens eine Stunde.«
    »Ach was, Armi will bestimmt mit dir tratschen, dann bleibst du ewig da hängen«, meinte Antti.
    Unterwegs überlegte ich mir, wie ich es vermeiden konnte, mit Armi Backfischgeheimnisse auszutauschen. Dazu hatte ich nun wirklich keine Lust. Es war so heiß, dass ich sogar auf der ebenen Strecke ins Schwitzen kam, und als ich endlich am Ziel war, hatte ich einen Riesendurst. Armi hatte ihr Zwei-Zimmer-Reihenhaus von einem entfernten Bekannten gemietet. Gestern Abend hatte Kimmo, die leicht alkoholgetrübten Augen verliebt auf Armi geheftet, stolz erzählt, er hätte zwei Zuhause: Armis Reihenhaus und das Einfamilienhaus seiner Eltern in Haukilahti. Hoffentlich war er jetzt hier bei Armi.
    Obwohl ich dreimal klingelte, machte niemand auf. Seltsam. War Armi unter der Dusche? Sie wirkte eigentlich nicht wie jemand, der am helllichten Tag duscht. Vorsichtshalber sah ich noch einmal auf die Uhr. Genau zwei Uhr, wie vereinbart. War sie gestern so betrunken gewesen, dass sie sich nicht mehr an unsere Verabredung erinnerte? Nein, den Eindruck hatte ich nicht gehabt. Vielleicht saß sie im Garten hinter dem Haus und hörte die Klingel nicht.
    Armis Garten grenzte an ein kleines Wäldchen. Über dem Gartentor hing eine Ranke, die die Sicht verdeckte. Der Blick in die Nachbargärten war durch einen hohen Zaun verstellt, an dem ebenfalls Kletterpflanzen rankten. Ich spähte vorsichtig durch das Tor.
    »Armi?«
    Keine Antwort. Ich betrat den Garten. Nach dem schattigen Wäldchen stach mir die Sonne doppelt grell in die Augen, die feuerroten Blumen auf den Gartenbeeten wirkten geradezu schreiend bunt. Zwischen gelb blühenden Ziersträuchern schauten ein Gartentisch und zwei Stühle hervor, auf dem Tisch standen ein Saftkrug und zwei Gläser. Als ich näher kam, sah ich plötzlich, dass hinter einem der Büsche noch etwas anderes hervorragte: ein Fuß. Nach den rosa lackierten Nägeln zu schließen, der Fuß einer Frau.
    Armi lag bäuchlings hinter dem Strauch, das Gesicht im Gras. Ich ging näher heran und rief immer wieder ihren Namen, aber sie stand nicht auf und gab auch keine Antwort. Ihr Rücken hob und senkte sich nicht, sie gab keinen Ton von sich. Ich hatte bei der Polizei genügend Leichen gesehen, um zu wissen, dass ich hier eine vor mir hatte. Trotzdem fühlte ich nach dem Puls und drehte Armis Kopf vorsichtig zur Seite.
    Es war ihr Gesicht, und doch kam es mir grauenhaft
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