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Auf die feine Art

Auf die feine Art

Titel: Auf die feine Art
Autoren: Leena Lehtolainen
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Hänninens schien davon unbeeinträchtigt.
    Wir überreichten Risto unser Geschenk, ein antiquarisches Werk über Jagdwaffen des 19. Jahrhunderts, für das Antti tief in die Tasche gegriffen hatte. Es war ein Prachtband mit vielen kunstvollen Zeichnungen. Obwohl mir die Jägerei zuwider war, hatte ich das Kapitel über die Waffen durchgeblättert, schon aus beruflicher Neugier. Immerhin war ich mal Polizistin gewesen.
    Risto entließ uns nach dem Begrüßungsschluck nicht aus seiner Obhut, sondern bestand darauf, uns den anderen Gästen vorzustellen. Der »Hautevolee von Tapiola« – so drückte er sich tatsächlich aus und meinte es höchstens teilweise ironisch. So musste ich unter anderem zwei Kommunalpolitikern die Hand schütteln, außerdem dem wichtigsten Bankdirektor, einem berühmten Chorleiter, meinem Chef und dem örtlichen Gynäkologen, der mit professionellem Blick meine Hüften begutachtete, sodass mir mein Kleid nicht mehr nur gebraucht, sondern obendrein zu eng vorkam.
    »Maria, Antti, hallo!«, rief Kimmo, der etwas weiter weg auf dem Rasen stand. Sein beigefarbener Dreiteiler hätte besser zu einem älteren Herrn gepasst, aber seine Cherubslocken waren so verwuschelt wie immer, und das von Akne übersäte Gesicht wirkte rührend jung. Zwischen Risto und Kimmo lag ein Altersunterschied von rund fünfzehn Jahren. Ristos Vater Henrik Hänninen hatte nach dem Tod seiner ersten Frau bald wieder geheiratet, die Früchte dieser Ehe waren Sanna und Kimmo.
    »Maria, das ist Armi, meine Verlobte«, erklärte Kimmo stolz. Die junge Frau, die er mir vorstellte, war etwa so groß wie ich, hatte ein rundes Gesicht und breite Hüften und machte einen netten Eindruck. Die Dauerwelle in ihrem dünnen blonden Haar war eine Spur zu kraus, und das geblümte Kleid stammte aus dem Versandhaus, ich hatte es selbst im Ellos-Katalog gesehen.
    »Armi Mäenpää«, sagte sie und lächelte freundlich. Ihre Augen waren so leuchtend blau, dass mir der Verdacht kam, sie trüge gefärbte Kontaktlinsen.
    Wir tauschten Neuigkeiten aus, redeten über die Hitzewelle, winkten Anttis Eltern zu, die nur kurz aus Inkoo gekommen waren. Ich hatte meinen Begrüßungssekt schon ausgetrunken – nach den Flaschen auf dem Getränketisch zu schließen, handelte es sich sogar um echten Champagner – und sah mich hoffnungsvoll nach einem weiteren Durstlöscher um. Antti und Kimmo waren inzwischen in ein Gespräch über Kimmos Diplomarbeit vertieft, also musste ich mit Armi Konversation treiben.
    Eigentlich brauchte ich kaum etwas zu sagen, sie redete in einem fort.
    »Ich hab gehört, du arbeitest bei Erkki Henttonen in der Kanzlei. Ich bin gelernte Krankenschwester und hab einen ganz guten Job bei Dr. Hellström, dem Gynäkologen, der da drüben steht, kennst du ihn? Der hat eine Privatpraxis. Irgendwann möchte ich mich auf Gynäkologie spezialisieren, aber nach der Schwesternschule hatte ich erst mal genug vom Lernen. Du hast ja gleich zwei Berufe gelernt, hat Marita mir erzählt. Erst Polizistin und dann Jura. Hat es dir bei der Polizei nicht gefallen?«
    »Na ja, das war …«, setzte ich an, aber Armi redete schon weiter.
    »Das ist bestimmt ganz schön gefährlich … Mit diesen juristischen Sachen verdient man wahrscheinlich mehr, und es passt auch besser zu einer Frau. Aber weißt du was, du bist die erste Polizistin, die ich bisher getroffen habe. Ich hätte dich so viel zu fragen!«
    Anttis Eltern gesellten sich zu uns, zwei zapplige kleine Jungen im Schlepptau. Matti und Mikko, die Zwillingssöhne der Hänninens und einzigen Enkel der Sarkelas, von denen sie nach Strich und Faden verwöhnt wurden, waren Einsteins größter Schrecken. Bei ihrem Anblick sprang die Katze meistens blitzschnell auf das höchste Bücherregal. Antti behauptete, sie hätte sich anfangs unter dem Bett verkrochen, bis sie die bittere Erfahrung machte, dass man sie dort gleich von zwei Seiten bedrängen konnte.
    »Onkel Antti! Onkel Kimmo!«, kreischten die Bengel. »Kommt mal gucken! Wir haben jetzt Nintendos in unserer Baumhütte!«
    »Maria, die Baumhütte kennst du noch gar nicht. Die haben Kimmo und ich letzten Sommer gebaut. Ja, ja, wir kommen ja schon«, lachte Antti, als der eine Knabe ihn, der andere Kimmo in den hinteren Teil des Gartens zerrte, wo tatsächlich in einer großen Krüppelkiefer eine Baumhütte prangte.
    Ich schluckte. Genau so eine hatte ich mir immer gewünscht, als ich klein war. In allen Büchern, die mir gefielen, kam so eine Hütte
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