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Auf die feine Art

Auf die feine Art

Titel: Auf die feine Art
Autoren: Leena Lehtolainen
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ins Meer springen zu können. Trotz meiner Zweifel an der Wasserqualität in unserer Bucht riskierte ich es, eine Viertelstunde zu schwimmen.
    Antti saß in der Küche und mummelte ein Butterbrot.
    »Ach, du warst schwimmen. Sollte ich vielleicht auch mal kurz rein? Wann müssen wir bei Risto und Marita sein?«
    »Um sieben. Wir haben noch zwei Stunden Zeit. Musst du noch arbeiten?«
    »Hast du einen anderen Vorschlag?«, fragte Antti hoffnungsvoll und streifte meinen nur mit einem Handtuch verhüllten Körper. Ich ließ das Handtuch fallen, wir hatten ja noch Zeit …
    Nach sechs wurde uns plötzlich klar, dass wir uns allmählich anziehen mussten. Antti mixte uns am reich bestückten Barschrank seiner Eltern einen Drink, während ich versuchte, mich mit einer kalten Dusche und nach Rosen duftendem Körperpuder abzukühlen. Wir waren zum vierzigsten Geburtstag von Anttis Schwager Risto Hänninen eingeladen, und ich war ziemlich nervös.
    Im Allgemeinen mache ich nicht viel Aufhebens um meine Kleidung, in Jeans, Tennisschuhen und T-Shirt fühle ich mich sowieso am wohlsten. Für die Geburtstagsfeier hatte ich mir aber extra ein Kleid gekauft. Als ich mich jetzt im Spiegel betrachtete, fand ich das leuchtende Grün auf einmal viel zu grell, der Rock schien mir zu kurz und der Ausschnitt zu offenherzig. Die kurzen Ärmel ließen meine muskulösen Oberarme frei, ich kam mir vor wie der Star einer Drag-Show.
    »Wow!«, rief Antti bewundernd. Ganz offensichtlich fand er das Kleid nicht zu gewagt. Sein Festgewand bestand aus einem geblümten Hemd und einer Fliege aus violettem Leder zur besseren schwarzen Jeans. Soweit ich wusste, besaß er nur einen einzigen Anzug, nämlich seinen fünfzehn Jahre alten Konfirmationsanzug. Die violetten Wildlederschuhe hatte ich noch nie an ihm gesehen.
    »Die hab ich mal für drei Pfund in London erstanden. Ein Restpaar wahrscheinlich«, antwortete er auf meinen fragenden Blick.
    Das leuchtete mir ein. Größe sechsundvierzig war sicher nicht sehr gefragt.
    Ich schlüpfte in schwarze Stöckelschuhe – Größe siebenunddreißig – mit sieben Zentimeter hohen Absätzen, in denen ich mir vorkam wie ein neugeborenes Kälbchen.
    Wir hatten es nun doch so eilig, dass wir mit dem Rad fahren mussten. Mit meinem Festkleid war das allerdings gar nicht so einfach. Mein Fahrrad, das ich bei einer Auktion der Polizei ersteigert hatte, war ein schneller Flitzer mit Gangschaltung, aber dummerweise ein Herrenrad und mit engem Rock und Stöckelschuhen kaum zu besteigen. Als der Rocksaum bei meinem dritten Versuch, in den Sattel zu kommen, gefährlich krachte, verlor ich endgültig die Nerven.
    »Setz dich bei mir auf den Gepäckträger!«, schlug Antti vor.
    »Im Damensitz? Kommt gar nicht in Frage!« Ich rannte ins Haus, zog Radlerhose und Tennisschuhe an und rollte den engen, aber dehnbaren Rock bis zur Taille hoch, die Stöckelschuhe hängte ich an die Lenkstange.
    »Aufgeregt?«, fragte Antti, als ich einige Meter vor dem Haus der Hänninens in meine Schuhe schlüpfte.
    »Ich hasse es, mich öffentlich zur Schau zu stellen!« Anttis engere Verwandtschaft hatte ich zwar nach und nach bereits kennen gelernt, aber heute Abend würden sie mich allesamt inspizieren und garantiert ihre Bemerkungen über mich austauschen. »Wart’s nur ab, das zahl ich dir heim. Im Herbst feiert Onkel Pena seinen Sechzigsten«, flüsterte ich Antti zu, als er das Gartentor aufklinkte.
    Das Haus der Hänninens war ein Musterbeispiel für den protzigen Baustil der achtziger Jahre. Man war schon mal im Süden gewesen, das verrieten die weiß verputzten Wände, die Säulen und Loggien. Die Hausherrin war Mathelehrerin und verbrachte ihre Sommerferien damit, den sorgfältig angelegten Garten zu pflegen. Zwischen den Blumenrabatten standen festlich gekleidete Gäste. Ich wünschte mir plötzlich, ich hätte mir vor dem Herkommen ordentlich Mut angetrunken.
    Das Geburtstagskind stand, ein Sektglas in der Hand und eine Rose im Knopfloch, vor dem Büfett. Der rostfarbene Sommeranzug war garantiert aus Seide, und das Lachsrot der Rose harmonierte mit Anzug und Krawatte. In meinem Kleid vom Flohmarkt kam ich mir auf einmal sehr secondhand vor. Marita stand lächelnd neben Risto, in einer geblümten Laura-Ashley-Kreation, die die eckigen Konturen ihres mageren Körpers umschmeichelte. Man munkelte allgemein, dass Ristos Firma ebenso schwer unter der Rezession litt wie die meisten anderen Ingenieurbüros, aber der Lebensstil der
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