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Auf die feine Art

Auf die feine Art

Titel: Auf die feine Art
Autoren: Leena Lehtolainen
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mit dem Gedanken, sich endgültig dort niederzulassen, Anttis Vater war nämlich gerade pensioniert worden. Aber so weit in die Zukunft wollte ich noch gar nicht denken. Im Moment war es sowieso ziemlich leicht, eine Wohnung zu finden, und mit dem, was ich in der Anwaltskanzlei Henttonen verdiente, konnte ich mir sogar eine relativ teure Mietwohnung leisten.
    Mein Weg in den nördlichen Teil von Tapiola führte am Meer vorbei und durch Wiesen hindurch. Als ich am Einkaufszentrum vorbeifuhr, entdeckte ich einen Bekannten. Es war Make, er stopfte vor dem Sportgeschäft gerade Pappkartons in den Müllcontainer.
    »Ciao, wühlst du etwa im Müll?«
    »Ich hab das Lager für den Sommerschlussverkauf geleert. Brauchst du vielleicht einen neuen Badeanzug? Gibt’s jetzt extrem günstig.«
    »Ich schwimme ohne, wenn’s irgendwie geht. Sehn wir uns heute Abend bei Hänninens?«
    »Ja, ich hab auch ’ne Einladung gekriegt, weiß gar nicht, wieso«, lächelte er und knallte den Container zu. Während ich die letzten fünfhundert Meter zu meinem Arbeitsplatz radelte, dachte ich an meine erste Begegnung mit Make zurück.
    An einem meiner ersten Arbeitstage in der Kanzlei war ich auf dem Heimweg beim Sportgeschäft vorbeigegangen, weil dort Satteltaschen im Angebot waren. Ich war die einzige Kundin, und der Verkäufer – eben Make – hatte mir mit lobenswerter Gründlichkeit die neuesten Modelle vorgeführt.
    Gleich am nächsten Abend waren wir uns zufällig im Fitnesscenter begegnet. Während ich meine Brustmuskeln trainierte, setzte sich Make an das Gerät für Schultertraining, das gleich daneben stand. Wir unterhielten uns übers Radfahren und nahmen das Gespräch jedes Mal wieder auf, wenn wir an benachbarten Geräten trainierten. Als ich nach der Sauna ganz entspannt den Umkleideraum für Frauen verließ, kam Make gerade auf der Männerseite heraus.
    »Jetzt lass ich mir ein Bierchen schmecken«, sagte er. »Du auch?«
    Er wollte mich unbedingt zu einem Bier auf der Terrasse am Kaskadenhaus einladen. Ich schaute ihm nach, als er die Getränke holen ging. Unter der verwaschenen Jeans und dem violetten T-Shirt verbarg sich ein muskulöser Körper, die strohblonden glatten Haare waren witzig geschnitten, vorn etwas länger als hinten, sodass sie ihm über die Augen fielen, wenn er den Kopf drehte. Obwohl er in meinem Alter sein musste, hatte er ein jungenhaftes Lächeln, aber in seinen Augen lag nicht nur Übermut.
    »Das ist typisch für mich: erst den Bizeps trainieren und dann die Schluckmuskeln«, lächelte ich ihn an, als er wieder am Tisch saß. »Ich heiße übrigens Maria Kallio.«
    »Weiß ich schon, du hast doch gestern mit der Kreditkarte bezahlt. Ich heiße Markku Ruosteenoja, aber alle nennen mich Make. Ich wohn in Hakalehto. Arbeitest du hier in der Nähe?«
    »Ich hab gerade in einer Anwaltskanzlei angefangen.«
    »Bei Eki Henttonen? Der hat mir schon erzählt, er bekäme demnächst eine tüchtige junge Juristin. Da hat er also dich gemeint! Eki hat mich letztes Jahr in einer Sache beraten«, erklärte Make.
    Obwohl es schon neun war, schien mir die Sonne noch schräg ins Gesicht. Im Bassin schwammen Enten, bis ein Golden Retriever ins Wasser sprang und sie aufscheuchte. Das Bier schmeckte einfach zu gut, ich hatte mein Glas schon halb ausgetrunken.
    Make war einer von diesen glatten, ordentlich gekleideten, sportlichen jungen Männern, für die ich normalerweise keinen zweiten Blick übrig habe. Aber in seinen Augen flackerte hin und wieder eine Brüchigkeit auf, die mich fesselte.
    »Juristin, Bodybuilderin, Radlerin – was bist du denn noch alles?«, neckte er mich.
    »Expolizistin und ewige Punkerin«, gab ich zurück, »und du?«
    »Nichts Besonderes. Verkäufer in einem Sportgeschäft. Wohnst du hier?«
    »Wie man’s nimmt. Den Sommer über wohn ich in Itäranta, im Reihenhaus von Leuten, die vielleicht mal meine Schwiegereltern werden. Wo ich im Herbst sein werde, weiß ich noch nicht.«
    »Schwiegereltern?«, wiederholte Make düster. »Du bist also schon vergeben. Na klar!« Er leerte sein Glas in einem Zug, und ich dachte schon, er würde sofort verschwinden. Als er doch sitzen blieb, fühlte ich mich verpflichtet weiterzureden:
    »Vergeben, das klingt so deprimierend. Sagen wir lieber, ich bin jetzt seit fast einem Jahr mit demselben Mann zusammen. Für mich ist das ’ne reife Leistung.«
    Bei der Bemerkung musste Make unwillkürlich lächeln. Er konnte ja nicht wissen, wie ernst sie gemeint
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