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VT11 - Flammender Himmel

VT11 - Flammender Himmel

Titel: VT11 - Flammender Himmel
Autoren: Claudia Kern und Stephanie Seidel
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Prolog
    Er hatte überlebt.
    Er verstand nicht, was passiert war.
    Da waren Kreaturen gewesen, zu klein, um ihren Schädel aufzubrechen und ihr Gehirn essen zu können. Aber auch wenn man sie ganz aß, es half nicht gegen den Hunger, half nicht, Klarheit in die Gedanken zu bringen.
    Es waren viele gewesen. Zu viele, um sie alle zu essen. So viele, um gefährlich zu sein! Das hatten auch seine Kameraden zu spüren bekommen. Erst hatten sie noch versucht, die Millionen und Abermillionen zu vernichten, an ihnen den bohrenden Hunger zu stillen. Doch die kleinen Kreaturen wussten sich zu wehren. Sie bissen zurück!
    Und nicht nur das, sie fraßen! Sie fraßen die Gruh, die sie ihrerseits nicht schnell genug aufessen konnten.
    Schaudernd hatte er mit angesehen, wie einer nach dem anderen derer, mit denen er seit dunkler Vorzeit die Höhle geteilt hatte, unter der Masse dieser kleinen Kreaturen verschwand. Hätte er noch menschliche Gefühle gekannt, so hätte er sie vermutlich vermisst. Doch er konnte sich nicht erinnern.
    Schon bald vergaß er auch, dass er selbst angefressen worden war von der gigantischen Flut großer Heuschrecken, die in diesem Teil der Welt Frakken genannt wurden. Sein linkes Bein bestand jetzt nur noch aus einem sauber abgenagten Knochen.
    Nur eins vergaß er nicht: Wieder in die Höhle hineinzugehen und Dokk Bericht zu erstatten. Denn dies war der Auftrag, den er erhalten hatte und der sich als einziger Gedanke fest in seinem löchrigen Gedächtnis hielt, seit er in Dokks Augen geschaut hatte.
    Dort im Bunker waren auch die anderen. Mit ihrer Hilfe würden sie wieder stark genug sein, um sich Nahrung von draußen zu holen.
    Er hielt eine dieser kleinen Kreaturen in der Hand. Sie biss ihn heftig wieder und wieder in die Hand, in der er sie hielt, aber er ließ sie nicht los. Es war wichtig, dass Dokk sie sah. Er würde wissen, was zu tun war. Ja, das würde er.
    Der Gruh ging mit schlurfenden Schritten tiefer in die Dunkelheit der Höhle hinein. Er spürte kaum, dass die einzelne Frakke bereits einen seiner Finger bis zum Knochen abgenagt hatte…
    ***
    Im Dorf kwaBulawayo
    Tleto stand still, ein Bein angezogen, den Fuß auf den Oberschenkel gelegt. Mit einer Hand stützte er sich auf einen langen geraden Stab. Die andere hielt einen Holznapf voller Milch. Ab und zu trank er daraus, während seine Blicke den Kühen folgten. Sie bewegten sich kaum mehr als er. Die meisten kauten auf verdorrtem Gras, ein paar lagen im Schatten der Akazien.
    Es dämmerte. Die Sonne versank bereits hinter den Graten des Kilmaaro. Es war die Zeit der Insekten und der Vögel. Manchmal, wenn Tleto am Rande der Weide stand, flogen sie auf der Jagd nach Mücken so dicht an ihm vorbei, dass er ihre Schwingen zu spüren glaubte.
    Er mochte Vögel. Sie waren seine Freunde. Jedes Lebewesen, das Mücken so sehr hasste wie er, war sein Freund.
    Sehnsüchtig betrachtete er die wachsenden Schatten. Nicht mehr lange, dann würde er die Wakudas zusammentreiben und nach kwaBulawayo zurückkehren. Er konnte es kaum erwarten. Efua, seine Frau, hatte vor zwei Nächten einer Tochter das Leben geschenkt. Beiden ging es gut. Die Geisterfrau hatte Tleto versichert, dass Dambudzo gesund war und von keinem bösen Geist besessen. Trotzdem machte er sich Sorgen, wenn er nicht bei den beiden sein konnte.
    Dambudzo – Schwierigkeiten. Es war Issa Magangas Vorschlag gewesen, das Mädchen so zu nennen.
    Nein, dachte Tleto, nicht Vorschlag. Anweisung!
    Man widersprach der Geisterfrau nicht, auch wenn man es wollte. Zu eng war die Verbindung zwischen ihr und den Göttern. Wenn sie wollte, dass seine Tochter diesen Namen erhielt, dann hatte niemand das Recht, sich dem zu widersetzen. Wer wusste schon, ob es ihr Wille war oder der eines anderen, höheren Wesens. Zu den Ungehorsamen konnten die Götter grausam sein.
    Er sah auf, blickte in den dunkelblauen Himmel hinein. Es gab kaum Mücken an diesem Abend und noch weniger Vögel. Eine fremde Stille lag über der Savanne.
    »In was für Zeiten leben wir nur«, murmelte er. Eine Wakudakuh drehte den Kopf und sah ihn aus großen braunen Augen an. Dann trabte sie auf eine der Akazien zu. Ihre Ohren bewegten sich. Sie war nervös.
    Tleto runzelte die Stirn. Etwas drängte in die Stille hinein, ein Geräusch, das von weit entfernt zu kommen schien. Er legte den Kopf schräg und lauschte.
    Es klang wie Stoff, wie das Rauschen von feinem Stoff im Wind. Tleto kniff die Augen zusammen. Da war etwas Schwarzes im
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