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Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Titel: Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman
Autoren: Kerstin Gier
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küssen, und dann käme der Obdachlose, die U-Bahn und …
    »Kati! Jetzt warte doch …«
    Ich war vollends stehen geblieben. Ich fühlte mich, als ob mein ganzer Körper im Bruchteil von Sekunden zu Eis erstarrt war. Nur mit viel Mühe schaffte ich es, mich zu Mathias umzudrehen.
    »Ach, Kati!« Er schüttelte den Kopf, als er atemlos vor mir stand. »Was ist denn los?«
    Ich versuchte, mich zusammenzunehmen. »Können wir uns vielleicht da hinsetzen?« Ich zeigte auf die Wand. »Weit weg von den Gleisen?« Irgendwie schaffte ich es, meine Eisbeine in Bewegung zu setzen. (Von einer U-Bahn war übrigens weit und breit nichts zu sehen, die Digitalanzeigetafel blieb dunkel. Und außer uns und einem knutschenden Teenagerpärchen am anderen Ende des Bahnsteigs war niemand hier. Kein Obdachloser weit und breit.) Ich ließ mich auf einen der Sitze sinken.
    »Warum bist du einfach abgehauen? Und warum weinst du?« Mathias setzte sich neben mich. »Ist es, weil du den Whisky hast fallen lassen? Oder hab ich dir was getan? Hab ich mich nicht genug um dich gekümmert?«
    Ich wischte mir die Tränenspuren von den Wangen. »Nein. Den Whisky habe ich mit Absicht runtergeworfen, und du hast mir auch nichts getan.«
    »Was ist es denn dann?« Er ließ die Sache mit dem Whisky unkommentiert, stattdessen fasste er mich an beiden Schultern und drehte mich, sodass ich ihn anschauen musste. »Es ist wegen Berlin, oder?«
    Ich schüttelte den Kopf, aber er redete einfach weiter. Ziemlich schnell. »Ich hab gleich gemerkt, dass du irgendwie anders bist, so still – und distanziert. Aber erstens ist das noch nicht endgültig entschieden, und zweitens ist Berlin nicht Tokio. Oder New York. Selbst wenn du keine Lust hast, dorthin zu ziehen – wobei wir bestimmt einen Superjob für dich dort finden würden –, bin ich ja nicht aus der Welt. Ich kenne zahllose Beispiele für grandios funktionierende Wochenendbeziehungen, es gibt sogar Leute, die schwören drauf. Und nebenbei sammeln wir massenhaft Vielfliegerpunkte und machen dann zusammen Urlaub auf Bali.« Während der ganzen Zeit hielt er mich an den Schultern gepackt, als hätte er Angst, dass ich wieder weglief.
    »Mein Gott, hast du schöne Augen«, sagte ich leise.
    »Hast du wieder aus Versehen einen Brownie gegessen?« Er lächelte schief.
    Ich lächelte zurück. »Nein! Aber ich gebe zu, ich hätte jetzt gern einen.«
    Er wurde sofort wieder ernst. »Warum hat du geweint, Kati? Ich habe gesehen, wie du weggerannt bist, und Gereons Freund wusste auch nicht, was los war.«
    Gereons Freund …
    Ich holte tief Luft. »Ich glaube … Mathias, mir ist etwas klar geworden, etwas, das ich eigentlich die ganze Zeit hätte wissen müssen.« Erneut begannen Tränen in meiner Nase zu kitzeln. »Weißt du … du bist ganz bestimmt der tollste Mann, den ich jemals kennengelernt habe! Na, der hübscheste auf jeden Fall! Noch niemals war ich so plötzlich und so heftig in jemanden verliebt wie in dich. Das war wie … eine Naturgewalt, ein Tsunami … Ich konnte gar nichts dagegen tun.« Ich horchte in mich hinein. »Und ich bin immer noch in dich verliebt, vielleicht werde ich das auch bis an mein Lebensende bleiben, weißt du. Aber ich … ich kann nicht mit dir zusammen sein. Weil ich einen anderen Mann liebe. Den ich schon lange kenne. Und so furchtbar vermisse …« Jetzt begannen die Tränen wieder zu fließen.
    Mathias war blass geworden. Langsam nahm er die Hände von meinen Schultern. »Verstehe«, sagte er und rieb sich die Nase. »Na ja, eigentlich verstehe ich es nicht. Was ist das für ein anderer Mann?«
    »Das ist eine lange und sehr komplizierte Geschichte.« Ich schniefte. »Nicht, dass du denkst, ich hätte dich angelogen oder so. Ich habe nur nicht gewusst …« Ich unterbrach mich. »Ich dachte ganz bestimmt, du wärst der Richtige für mich. Und vielleicht bist du das ja auch, weil es den Richtigen gar nicht gibt, sondern weil man im Leben mehr als einem Menschen begegnen kann, der zu einem passt und mit dem man glücklich werden könnte …« Ich schluchzte ein paar Sekunden haltlos vor mich hin, dann fiel mir ein, dass es Mathias gerade im Augenblick auch nicht besonders gut ging. »Es tut mir so leid«, sagte ich. »Ich wollte das gar nicht. Ich wollte dir nicht wehtun. Ich wollte dich wirklich so sehr.«
    »Aber diesen anderen Mann willst du noch mehr?«
    Ich nickte, selber betroffen von meiner Erkenntnis. »Selbst wenn ich ihn in dieser blöden
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