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Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Titel: Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman
Autoren: Kerstin Gier
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und bereit zuzuschlagen, wenn Sie das Gespräch nicht sofort als beendet betrachten« geantwortet, aber ich konnte nicht gut lügen und auch niemanden vor den Kopf stoßen, nur weil er nach Käsefüßen roch (übrigens nicht von den Füßen her), ein bisschen schmierig war und vermutlich nicht alle Tassen im Schrank hatte. Andererseits wusste ich aus leidiger Erfahrung, dass man mit Nettigkeit in Situationen wie dieser auch nicht weiterkam.
    »Ähm, also«, sagte ich und klappte mein Notebook auf. »Erstens bin ich glücklich verheiratet, zweitens muss ich jetzt ein paar dringende Mails beantworten, und drittens …« Der Laptop gab einen alarmierenden Piepton von sich.
    »Und drittens ist Ihr Akku leer und hier ist nirgendwo Strom.« Der Mann lehnte sich mit einem schadenfrohen Grinsen zurück. »Wir haben also alle Zeit der Welt für ein kleines Schwätzchen, Schätzchen. Haha, das reimt sich, haben Sie das gemerkt?«
    Sei still, Bill. Halt’s Maul, Paul.
    »Was machen Sie denn beruflich, dass Sie sogar abends im Zug arbeiten müssen?«
    Wenn Sie nicht wären oder meine geizige Chefin noch eine Hotelübernachtung spendiert hätte, müsste ich ja gar nicht arbeiten beziehungsweise so tun, als ob. Dann könnte ich mich jetzt von sechzehn angehenden Führungskräften erholen, die mich den ganzen Tag skeptisch angestarrt haben. Der Laptop-Akku war tatsächlich leer. Ich kramte in meiner Handtasche nach meinem Kalender, einem Stift und dem Handy. Irgendwie musste ich ja Arbeit vortäuschen, denn wir hatten Berlin gerade erst hinter uns gelassen.
    »Also, wenn ich raten müsste …«, sagte Bill.
    »Business Coaching und Training«, murmelte ich schnell. »Und wie gesagt, ich müsste ein paar sehr dringende Mails … ähm, SMS …« Geschäftig drückte ich auf dem Handy herum. Felix hatte auf meine letzte SMS geantwortet: Bei mir wird es auch spät, ich bringe uns was vom Chinesen mit. Sofort bekam ich Hunger. Und Sehnsucht nach Felix. Und einer Dusche.
    »Karrierefrau, hm?« Bill beugte sich zu mir herüber. »Bei dem Dekolleté hätte ich eher auf etwas Kreatives getippt. Kindergärtnerin, zum Beispiel.«
    Ich musste mich sehr zusammennehmen, um so zu tun, als hätte ich nichts gehört. Die Erfahrung hatte gelehrt, dass man sich auf gar keinen Fall gesprächsbereit zeigen darf, sonst hat man am Ende der Fahrt nicht nur Sabber auf der Wange kleben, sondern auch zugesagt, ein halbes Rind zu kaufen oder eine Niere zu spenden. Angestrengt tippte ich weiter auf dem Handy herum. Ups, jetzt hatte ich nicht nur Felix’ SMS gelöscht, sondern alle, die sich in meinem Speicher befunden hatten. Na, egal, ich hatte die Nummern ja in meinem Telefonbuch gespeichert. Da stand Felix gleich zwischen meiner Schwester Eva und Fischbach, unserem Hausmeister.
    »Und jetzt raten Sie mal, was ich beruflich mache, Schätzchen.«
    Freue mich sehr auf Chinesisch, schrieb ich an Felix und setzte nach kurzem Überlegen noch hinzu: Hätte auch nichts gegen Französisch. Ein paar Anzüglichkeiten zur Auffrischung unseres Liebeslebens konnten nichts schaden. In den letzten Monaten hatten wir das doch ziemlich vernachlässigt.
    »Produkttester!«, brüllte Bill Käsefuß triumphierend, und vor lauter Schreck drückte ich auf »senden«. »Und das ist noch viel interessanter, als es sich anhört. Raten Sie mal, was ich diese Woche teste.«
    Deo war es jedenfalls schon mal nicht. Ich unterdrückte einen Seufzer und schrieb stattdessen eine SMS an Marlene. Du schuldest mir was. Arrogante, unbelehrbare Möchtegern-Führungskräfte-Krawattenjunkies haben mich fertiggemacht. Der obligatorische Zug-Irre gibt mir gerade den Rest. An dieser Stelle hielt ich kurz inne. Marlene und ich arbeiteten bei G&G Impulse Consulting, einer kleinen Firma für Personal- und Managementcoaching, und ich hatte dieses Seminar in Berlin kurzfristig für Marlene übernehmen müssen. Führungs- und Managementkompetenz war nicht mein Fachgebiet, und immer, wenn ich ein solches Seminar leiten musste, wusste ich auch wieder, warum. Die Seminarteilnehmer waren wie ein Rudel wilder Hunde, sie spürten, wenn jemand Angst vor ihnen hatte. Und sie wollten sich von jemandem, der selber offensichtlich keine Führungsqualitäten aufzuweisen hatte, nichts über selbige beibringen lassen. Wäre ihr Chef nicht anwesend gewesen, den Marlene von früher kannte und über den G&G den Auftrag bekommen hatte, sie hätten mich zerfleischt. Bei der Erinnerung daran musste ich lächeln. Ich war
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