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Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Titel: Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman
Autoren: Kerstin Gier
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so aufgeregt gewesen, dass mir beinahe entgangen wäre, dass er auch ein bisschen mit mir geflirtet hatte. Allerdings hattest du recht, was die Chefkrawatte angeht – sehr süßer Arsch, tippte ich. In Wirklichkeit hatte ich keine Ahnung, wie sein Hintern ausgesehen hatte. Aber er hatte schöne Augen gehabt und so eine ganz besondere Ausstrahlung von natürlicher Autorität und Freundlichkeit. Obwohl ich Käsefuß-Bills Blicke auf mir ruhen fühlte, gestattete ich mir einen winzig kleinen Seufzer. Mathias Lenzen, Leiter Human Resources. Ich hatte seinen Namen zusammen mit seiner Handynummer gespeichert, obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass ich sie jemals noch mal brauchen würde, bei null lag. Denn erstens würde Marlene das nächste Seminar wieder selber übernehmen, und zweitens hatte ich Felix und daher gar kein Interesse an Flirts mit anderen Männern, egal, wie nett ihr Lächeln auch sein mochte. Auch wenn dieses wirklich ganz besonders nett ge…
    »Letzte Woche waren es italienische Rotweine und ein Haarglätter!« Bill schreckte mich aus meinen Gedanken. »Diese Woche sind es ein Knoblauchschäler, eine Kamera und Funktionsunterwäsche, und nächste Woche kann es schon ein Ferrari sein.«
     
    Fehler entstehen durch Hast, deshalb tue nie etwas in Unruhe.
Chinesische Weisheit
     
    Ich beugte mich hastig wieder über das Handy und drückte auf »senden«, womit ich, ohne es zu ahnen, die Dinge in Bewegung brachte oder, wie meine Kollegin Linda sagen würde, dem »Karussell des Universums« einen kräftigen Schubs versetzte. Und nur, weil ich zu blöd war, ein Handy richtig zu bedienen.
    Alles, was passiert, passiere aus gutem Grund, sagte Linda immer. Weil es passieren müsse. Weil für unser Leben von Bedeutung sei, was immer geschehe, auch wenn wir den Grund nicht immer sofort erkennen könnten. Und genau deshalb sollten wir dankbar sein für alles, was uns zustoße oder was wir höchstpersönlich verbockten. Linda zum Beispiel war auch dann noch voller Dankbarkeit, wenn sie mit ihrem Absatz in einem Gulli stecken blieb. Das hatte das Universum – laut Linda – nämlich nur geschickt eingefädelt, damit sie bei der Suche nach neuen Schuhen im Laden eine alte Schulfreundin wiedertreffen konnte, die sie spontan zu ihrer Geburtstagsparty einlud, auf welcher sie dann – voilà! – den Mann ihres Lebens kennenlernte.
     
    Es ist ein liebenswerter Brauch: Wer Gutes bekommt, der bedankt sich auch.
Wilhelm Busch
     
    Im Prinzip ein schöner Gedanke, oder? All die unschönen Momente im Leben, vom gerissenen BH-Träger (mitten während eines Vorstellungsgesprächs, ich werde immer noch rot, wenn ich daran denke) bis zur verpassten Straßenbahn, all die Begegnungen mit Verrückten und Käsefüßen hätten einen tieferen Sinn und dienten einem höheren Zweck, und am Ende durfte man sogar noch dankbar dafür sein – herrlich! Aber leider konnte man Linda nicht wirklich ernst nehmen. Den Mann ihres Lebens lernte sie nämlich zwei- bis sechsmal im Jahr kennen, überdies ging sie auf sogenannte »Kuschelpartys« und traf sich regelmäßig auf imaginären Regenbogenbrücken mit geschlechtlich nicht näher spezifizierten Wesenheiten, die ihr zum Beispiel zum Kauf eines grünen Pullovers rieten. Auch sonst ließ sie kein esoterisches Klischeefeld unbesetzt: Sie behauptete, dass man vor den Meetings Salz in die Ecken eines Raums streuen soll, um für bessere Stimmung zu sorgen, dass man sich freie Parkplätze durch pure Willenskraft herbeiwünschen kann und dass unsere Chefin tief in ihrem Inneren »ein ganz lieber Mensch« sei, das sehe sie an ihrer Aura. Deshalb schied Linda für mich als Autorität in Sachen Schicksalsfügung aus, und deshalb passieren manche Dinge wohl ohne triftigen Grund, ohne tieferen Sinn – und dankbar muss man dafür auch nicht zwingend sein. Oder an diesem speziellen Fall erklärt: Hätte ich nicht für Marlene das Seminar übernehmen, nicht in diesem Zug sitzen, nicht wegen des stalkenden Produkttesters Arbeit vortäuschen müssen, hätte ich auch niemals diese SMS geschrieben, sondern die blauen Augen und das nette Lächeln spätestens in ein paar Tagen vollkommen vergessen.
    Bill bohrte in seiner Nase. Ich sah es ganz genau, obwohl ich überhaupt nicht hinschaute. »Kondome durfte ich auch schon testen. Sagen Sie mal, hören Sie mir überhaupt zu?«
    Und wie ich zuhörte. Ich hoffte nur, dass er es mir nicht ansah. Sitze neben beklopptem Kondomtester und finde mein Leben gerade wieder
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