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Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Titel: Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman
Autoren: Kerstin Gier
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die Bordsteinkante mitnehmen und vor roten Ampeln entweder eine Vollbremsung machen oder sie einfach überfahren. Und dabei unentwegt reden. Auf Kölsch. Vor fünfeinhalb Jahren, als ich frisch hergezogen war, hatte ich die Kölner für seltsam und Köln für die hässlichste Stadt der Welt gehalten. Aber mittlerweile hatte ich meine neue Heimat wirklich lieb gewonnen, mitsamt Klüngel, fünfter Jahreszeit und gewöhnungsbedürftigem Dialekt. Als das Taxi mit quietschenden Reifen am Rathenauplatz hielt, war ich wieder hellwach. »Wünsche noch eine jute Nacht, schöne Frau«, sagte der Taxifahrer, nicht, weil er mich wirklich schön fand, sondern weil Kölner Taxifahrer das eben zu ihren weiblichen Fahrgästen sagen, aus Prinzip. Erst wenn sie stattdessen »junge Frau« sagen, weiß man, dass man alt geworden ist.
     
    Frauen geben Fehler leichter zu als Männer. Deswegen sieht es aus, als machten sie mehr.
Gina Lollobridgida
     
    Felix und ich wohnten in einer hübschen Altbauwohnung im sogenannten »Kwartier Lateng«, meinem absoluten Lieblingsviertel. Von hier aus war Felix mit dem Fahrrad in zehn Minuten im Krankenhaus, wo er als internistischer Oberarzt arbeitete, und ich konnte zu Fuß zu meinem Büro am Rudolfplatz laufen. Ich mochte die vielen Geschäfte, Cafés, Biergärten und Weinstuben, und wenn mein Tag besonders mies gewesen war, legte ich die Heimwegroute einfach so, dass ich sowohl an meiner Lieblingskonditorei als auch an meinem Lieblingsladen vorbeikam. Wenn man ausgehen wollte, hatte man hier zahllose Möglichkeiten, sich zu amüsieren, und einige der besten Restaurants lagen ebenfalls in Laufweite. Allerdings waren wir in letzter Zeit recht wenig ausgegangen, und bei den Restaurants nutzten wir vor allem den Take-away- oder Lieferservice. Wir nehmen uns einfach zu wenig Zeit für die schönen Dinge im Leben, dachte ich, während ich die Wohnungstür aufschloss.
    Und richtig: Felix war auf dem Sofa eingeschlafen, und zwar offensichtlich bevor er es geschafft hatte, sich auch noch den anderen Schuh auszuziehen. Das Essen vom Chinesen stand unberührt in kleinen Pappboxen auf dem Tisch, und im Fernsehen fragte Markus Lanz oder jemand, der genauso aussah, gerade einen Hells-Angels-Typen, warum er immer noch bei seiner Mutter wohnte. Felix’ Kopf war zur Seite gekippt, sein Mund stand leicht offen, die hellbraunen Locken fielen ihm ins Gesicht, die Augenbrauen waren wie immer hoffnungslos zerstrubbelt. Ich strich sie mit beiden Daumen gerade (wie oft hatte ich das wohl in den letzten fünf Jahren getan?), küsste ihn auf das stoppelige Kinn und befreite die Fernbedienung aus seiner Hand.
    Als der Fernseher verstummte, schlug Felix seine Augen auf. »Hey, da bist du ja, Eselchen«, sagte er und blinzelte mich an. Das Sofakissen hatte eine lange Falte in seine Wange gedrückt. »Mist, ich wollte eigentlich noch den Tisch decken und eine Kerze anzünden, aber dann bin ich wohl eingeschlafen. War ein harter Tag.«
    »Ja, bei mir auch«, sagte ich, ließ mich neben ihn fallen und drückte meine Nase an seinen Hals. »Mmmmh, du riechst gut.«
    »Du auch.« Felix legte einen Arm um mich. »Ist das ein neues Parfüm?«
    »Nein, das ist das Erfrischungstuch der Deutschen Bahn. Ich muss erst mal duschen. Und dann …«
    »Hast du Hunger?«
    »Ja, sehr.« Ich küsste Felix in die kleine Grube unter seinem Schlüsselbein, wo er immer nach Vanille roch. »Ich hatte dir eine anzügliche SMS geschickt, weißt du.«
    »Oh, ich habe noch gar nicht nachgeschaut.«
    »Musst du auch nicht. Die hat nämlich Hausmeister Fischbach bekommen. Und die Lästermail über die doofen Seminarteilnehmer und ihren Personalchef, die ich an Marlene geschickt habe, hat stattdessen der Personalchef gekriegt. Du dürftest die SMS bekommen haben, die eigentlich für Eva bestimmt waren. Wirklich – deine Mutter kann besser mit einem Handy umgehen als ich. Der habe ich übrigens aus Versehen auch geschrieben.«
     
    The problem with the world is that everybody is a few drinks behind.
Humphrey Bogard
     
    Felix lachte schläfrig. »Schön, dass du wieder da bist, Eselchen. Ich hab dich gestern Nacht vermisst.« Seine Hand kraulte meinen Nacken. »Was stand denn in der anzüglichen SMS?«
    »Na, sagen wir mal so, Hausmeister Fischbach möchte demnächst mal vorbeikommen und die Heizung entlüften …«
    Felix’ Lachen ging fließend in ein Gähnen über. Hastig stand ich auf. »Ich dusche jetzt schnell, aber in spätestens fünf Minuten
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