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Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Titel: Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman
Autoren: Kerstin Gier
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meinem rosaroten Paralleluniversum nicht wirklich Herr über meine Gefühle war – jedenfalls bahnte sich all die Wut, die sich auf Gereon angestaut hatte (und zwar die aus Vergangenheit und Gegenwart zusammengenommen) ihren Weg nach draußen.
    Ich nahm eine der Whiskyflaschen in die Hand und tat so, als studierte ich das Etikett. Und dann ließ ich einfach los. Die Flasche zerschellte auf dem polierten Steinboden in tausend kleine Stücke, und der Whisky floss bis unter die Beine der Philip-Starck-Sitzgruppe.
    »Oh je«, sagte ich und beobachtete voller Genugtuung, wie sich Gereons Augen vor Entsetzen weiteten. (Was gar nicht einfach war: Sein Blick flackerte völlig verstört zwischen den Scherben, den Pfützen und mir hin und her.) »Das wollte ich aber nicht! Wie überaus schrecklich.«
    Mathias bückte sich, um die Scherben aufzusammeln, aber Gereon, merklich um Lässigkeit ringend, sagte: »Lass liegen, Matze, dafür habe ich Personal!«
    Mir schenkte er ein nachsichtiges Lächeln. Offenbar deutete er meine versteinerte Miene (hinter der ich ein albernes triumphierendes Lachen versteckte sowie das Bedürfnis, meine Faust gen Himmel zu recken und »Future Woman rocks!« zu brüllen) als pures Entsetzen und Reue. »So was passiert doch mal, Kati. Das ist nicht schlimm.«
    »Na ja, bei einer Flasche, die sechshundert Euro kostet, irgendwie schon«, sagte Mathias, und in meinen Ohren klang es etwas ungehalten. Er guckte auch eindeutig vorwurfsvoll. »Vielleicht kann das ja Katis Haftpflichtversicherung übernehmen. Stimmt doch, Kati?«
    Hallo? Wie war der denn drauf? Haftpflichtversicherung? Das fehlte ja wohl noch! Wobei Gereon das ohnehin nicht annehmen würde, es passte nicht in sein Selbstbild vom generösen Lebemann.
    »Ich bin untröstlich«, behauptete ich.
    »Oh! Ist das etwa der 55er Bowmore gewesen, von dem du mir heute Morgen erzählt hast?«, sagte jemand hinter uns voller Anteilnahme. Felix!
    In seinem »Jede-zweite-Socke-wird-von-einem-Dinosaurier-gefressen«-T-Shirt … Wie konnte er einfach so in Gereons Wohnung spazieren, nach allem, was er nach der Lektüre meines Briefes über seinen besten Freund wusste? Oder hatte er ihn am Ende gar nicht gelesen?
    Ich starrte ihn von der Seite an, aber er tat so, als würde er mich nicht sehen. Stattdessen schnupperte er in der Luft herum. »Wirklich großartiges Bukett, muss ich sagen.«
    »Sehr witzig, alter Freund, sehr witzig«, sagte Gereon und ließ Felix seine übliche innige Umarmung angedeihen. Was er wohl kaum getan hätte, wenn Felix ihn wegen Lillian zur Rede gestellt hätte. Und weil Gereon so gerne kuschelte, zog er mit dem anderen Arm Mathias an sich. Ein herziges Bild!
    »Felix, das ist Matze, mein bester Kumpel aus Schulzeiten. Wir haben uns letzte Woche zufällig auf dem Flughafen wiedergetroffen. Matze, das ist Felix, Felix ist sozusagen der 39 Linkwood unter meinen Freunden …«
    Oh Mann, ich musste mich gleich übergeben.
    Florian, vermutlich vom Lärm angelockt, fragte eifersüchtig: »Wenn Felix der Linkwood ist, was bin denn ich dann?«
    Irgendeine blöde Flasche halt.
    »Na, du bist ein 1948 Glenvilet«, sagte Gereon und knuddelte Felix gleich noch ein bisschen fester. »Mein zweitliebster hinter Felix!«
    »Danke, danke!« Felix befreite sich lachend aus der Gruppenkuschelumarmung und nahm die andere Whiskyflasche in die Hand, die Gereon gestern ersteigert hatte und die mehr wert war als das Bruttosozialprodukt der Fidschi-Inseln. Oder so. »Übrigens – wegen des Segelboots, das ihr da im Auge habt: Ich finde die Idee nach wie vor super – aber ihr müsst das ohne mich machen. Ich habe einfach zu wenig … Huch!« Als wären seine Finger mit Margarine beschmiert, war die Flasche plötzlich durch seine Hände gerutscht und genau wie meine auf dem Boden zerschellt. Alle mussten ein paar Schritte zurückspringen. Der Whiskygeruch war mittlerweile betörend.
    »Oh nein!«, rief Gereon fast ein bisschen weinerlich. »Nicht auch noch der Glenvilet.«
    »Ich weiß nicht, wie das passieren konnte«, sagte Felix, und jetzt sah er mir für einen Moment direkt in die Augen. »Ich bin untröstlich.«
    Ich hielt die Luft an. Oh mein Gott! Er hatte das mit Absicht gemacht, genau wie ich. Dass ich das noch erleben durfte: Felix Leuenhagen tat etwas aus purer, boshafter Berechnung.
    Und das machte mich aus irgendeinem Grund sehr, sehr glücklich.
    »Es tut mir schrecklich leid«, sagte Felix. »Ich weiß doch, wie stolz du auf diese
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