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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts
Autoren: R Lappert
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hat Barry das mit Dermot so gut weggesteckt wegen der Metzgerei. Das Blut, die Fleischfetzen, die Knochensplitter, die Haarbüschel, das hat er alles schon gesehen. Das waren zwar Tiere, aber trotzdem. Vielleicht ist er ja ein bisschen wie du und hat mit einem Schwein oder einer Kuh mehr Mitleid als mit einem Menschen. Vielleicht hört er im Radio von einem Erdbeben mit 10 000 Toten, und es macht ihm kaum was aus, und dann tötet sein Vater ein Kalb und er ist am Boden zerstört.
    Jason und ich sind auch verschwunden. Nur anders als du. Wir waren noch da, man konnte uns sehen. Aber eigentlich waren wir weg, weiter fort, als du jemals reisen kannst. Jason fing irgendwann an zu spritzen. Manchmal, wenn mein Hirn nicht völlig vernebelt war, versuchte ich, ihn davon abzubringen, aber es ging nicht. Wir hatten Geld. Jasons Mutter gab es ihm. Nach der Sache mit Dermot erzählte er ihr, er wolle nach Indien fliegen, um sich von dem Trauma zu erholen, und sie schickte ihm einen Scheck über fünf Riesen. Am Anfang dachte ich noch, das mit den Drogen würde sich irgendwann legen, das sei einfach unsere Art, diesen verfluchten Tag zu vergessen, aber das war natürlich Schwachsinn. Irgendwann verließ Jason die Wohnung nicht mehr. Den Stoff brachte ihm ein Typ, der ein Rennrad fuhr und wollte, dass wir ihn Mister White nennen. Ich bin ab und zu raus, um einzukaufen, Brot, Ölsardinen und für Jason Obst.
    An einem schönen Tag nach vielen Wochen Regen zwang ich Jason rauszugehen. Wir gingen zum Mountpleasant Tennis Club und setzten uns auf eine der Bänke, von denen man die Plätze sieht. Ein paar Mädchen spielten, dreizehn, vierzehn Jahre alt. Jason war immer hin und weg, wenn er sie sah, auch an jenem Tag. Er nannte sie Elfen und Feen und wollte einen Song über sie schreiben. Wir saßen dort bis zum Abend. Wir hatten Eistee und Schokolade dabei, und zum ersten Mal seit langem dachte ich, wir könnten es schaffen, aus dem ganzen Schlamassel rauszukommen. In der Nacht hörte Jason Musik, wie jede Nacht. Und am nächsten Morgenwar er tot. Überdosis. Ein Versehen. Wahrscheinlich war er wegen seiner Elfen und Feen so gut drauf, dass er sich zu viel von dem Scheißzeug spritzte. Irgendwie ist sein Tod also auch meine Schuld, ich musste ja unbedingt raus mit ihm.
    Crotty, unser alter Vermieter, war nicht gerade begeistert, als erst die Ambulanz vor seinem Haus stand und dann auch noch die Bullen kamen. Schon die Sache im Übungskeller war ein ziemlicher Stress für ihn gewesen, obwohl die Polizei den Fall damals sehr schnell zu den Akten gelegt hat. Aber zwei Tote innerhalb eines Jahres waren zu viel für ihn. Er verkaufte das Haus und sagte, ich kann bleiben, bis der neue Besitzer mit dem Umbau beginne.
    Dann tauchte plötzlich Aidan auf und nahm mich mit nach Klonakilty in sein Haus am Meer. Dabei wollte ich nirgendwohin. Ich wollte in Dublin bleiben und mich jeden Tag besaufen. Aber Aidan trickste mich aus. Er ließ mich trinken, bis ich hinüber war. Dann packte er mich in seinen Volvo und fuhr los. Als ich zu mir kam, lag ich schon auf seiner verdammten Couch. Und auf meinen Beinen lag Rotten, den Aidan gleich mit eingepackt hatte.
    Zwei Tage später war Jasons Beerdigung. Er hat immer gesagt, dass seine letzte Ruhestätte in Marokko oder Indien sein wird. Das fand er irgendwie cool und romantisch. Jetzt liegt er auf dem Friedhof von Killorglin neben seinem Vater, und auf seinem Grabstein steht nichts Cooles oder Romantisches, sondern Geliebter Sohn. Barry und Mick und ihre Eltern kamen zur Beerdigung und ein paar aus der Klasse. Einige weinten. Es war schrecklich. Ich wollte nicht an diesem Grab stehen. Ich wollte nicht schon wieder Father MacMahon zuhören. Ich wollte in Dublin in meinem Zimmer liegen und an nichts denken, nicht an die Vergangenheit, nicht an die Gegenwart und schon gar nicht an die Zukunft. Später ging ich mit Aidan, Mick und Barry zu Delaney’s und ließ mich volllaufen. Es war ziemlich schräg, die beiden wiederzusehen. Mick war kaum wiederzuerkennen. Er becherte auch ziemlich viel und wollte nicht über Dublin oder die Band oder Musik reden. Irgendwann stand er einfach auf und ging.
    Am nächsten Tag wachte ich in Aidans ehemaliger Werkstatt auf. Der Schuppen war komplett leergeräumt, nur das Feldbett, auf dem ich lag,ein Tisch und ein Stuhl standen noch darin. Dann brachte Aidan mir was zu essen, eine Kanne Tee und ein Buch. Und weißt du was? Er schob mir das Zeug durch eine Klappe rein, wie
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