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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts
Autoren: R Lappert
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einem Gefangenen! Erst dachte ich, er will mich verarschen, aber er sagte, er lässt mich erst wieder raus, wenn ich trocken bin und ihm verspreche, es zu bleiben! Kannst du das glauben? Meine Tobsuchtsanfälle von früher zusammengenommen waren ein Mäusefurz im Vergleich zu dem, was ich in diesem verdammten Schuppen an Wut und Frust hinausgeschrien habe. Zuerst zertrümmerte ich den Tisch und den Stuhl, dann zerschlug ich die Kanne und zerriss das Buch. Ich versuchte natürlich, rauszukommen, aber Aidan hat den Schuppen in eine verfluchte Festung verwandelt. Er hat das geplant, Meg! Erinnerst du dich an das Klo ganz hinten neben der Bandsäge? Da hat er eine Dusche eingebaut! Ich will dir jetzt nicht die ganze Geschichte erzählen, nur so viel: Ich war 58 Tage da drin. Während der ersten drei Tage tobte ich, bis ich nicht mehr konnte, dann kamen die Entzugserscheinungen, und ich heulte und bettelte und drohte. Dann schlief ich fast eine Woche lang. Aidan brachte mir Obstsäfte, frische Klamotten, Bücher. Am Anfang schrie ich ihn an, wenn er mir etwas durch die Luke schob, später ignorierte ich ihn. Irgendwann gab er mir den CD-Player und die CDs, die er mit dem Rest meiner Sachen aus dem Zimmer in Dublin mitgenommen hatte. Ich glaube, nach etwa drei Wochen sagte ich ihm, es ist jetzt gut, ich will nicht mehr saufen, er kann mich rauslassen. Aber er meinte, ich bin noch nicht so weit. Ich beschimpfte ihn wieder und tobte und schmiss den CD-Player an die Wand. Ich wollte sowieso keine Musik mehr hören, nie mehr in meinem Leben.
    Eines Tages schob Aidan einen Packen Briefe durch die Klappe. Sie waren alle von dir. Als ich in Dublin war, hat Barry mir gesagt, dass du ihm Briefe für mich schickst. Aber ich wollte sie nicht lesen. Ich wollte nichts wissen von dir. Barry hat sie alle aufbewahrt. Es waren nur Kopien, Aidan hatte wohl Angst, dass ich sie zerreiße. Zuerst wollte ich das auch, aber dann las ich sie, kreuz und quer und immer wieder.
    Irgendwann begannen wir Rommee zu spielen, durch die Klappe. Aidan erzählte mir von seinen Reisen. Am Abend, bevor er mich rausließ, brachte er mir das Essen und zwei Flaschen Bier. Ich habe sie nicht getrunken. Ich weiß, es klingt immer ein wenig bescheuert, wenn jemanddas sagt, aber ich habe in den 58 Tagen eine Menge gelernt, vor allem über mich selber. Natürlich war ich kein neuer, besserer Mensch. Aber immerhin war ich nicht mehr der durchgeknallte Kerl, der in Dublin in seinem Zimmer liegt und sich um das bisschen Verstand säuft, das er hat. Ich war kuriert, geheilt, gerettet. Wenigstens für den Moment.
    Aidan bot mir einen Job in seiner Möbelfabrik an, und für eine Weile arbeitete ich da. An den Wochenenden, wenn das Wetter gut war, fuhren wir ans Meer oder zum Wandern. Manchmal kam Barry mit. Weißt du eigentlich, dass er dich liebt? Er hat es zwar nie gesagt, aber das sieht ein Blinder mit Krückstock. Zur Farm sind wir auch regelmäßig. Irgendwie hofften Barry und ich jedes Mal, dass du da bist, wenn wir auf den Hof fahren, dass du im Stall bei den Hühnern sitzt und ihnen Gedichte vorliest. Aber du warst nie da.
    Ich hatte schon ein paar Monate nichts getrunken, da meinte Aidan, ich soll meine Mutter besuchen. Ich wollte nicht, du weißt warum. Aber Aidan fing immer wieder damit an. Dass wir nur eine Mutter haben und dass ich es später bereuen werde, wenn ich jetzt nicht zu ihr gehe, und so weiter. Er hat mich so lange genervt, bis ich irgendwann hingefahren bin. Aidan rief sie vorher an, und Cait empfing mich mit Kaffee und Kuchen. Sie wohnt jetzt in Glasnevin in einer Vierzimmerwohnung. Der Kerl, mit dem sie zusammenlebt, heißt John. Sie sind seit vier Jahren ein Paar, aber nicht verheiratet. Er arbeitet noch, irgendwas mit Schiffsbau. Als ich kam, war er nicht da. Cait sagte, er wollte uns beim ersten Treffen alleine lassen. Sie zeigte mir ein Foto von ihm. Er sieht ziemlich nett aus. Sie fragte mich dauernd, was ich so mache, aber irgendwie brachte ich den Mund nicht auf. Dann erzählte sie, wie es ihr ergangen ist in den ganzen Jahren, und ich hörte ihr einfach nur zu und trank Kaffee. Von dem Kuchen brachte ich keinen Bissen runter. Sie erzählte, dass sie früher oft Depressionen hatte. Als ich zur Welt kam, wurde es besonders schlimm. Eines Tages überlegte sie, wie sie uns und sich selber so schmerzlos wie möglich umbringen kann, und da wusste sie, dass es Zeit ist, zu gehen. So sagte sie es: Zeit, zu gehen. Ihr Freund, der Typ von der Bank,
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