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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts
Autoren: R Lappert
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Kette hielt ihn zurück. Er zerrte daran und bellte, und nach einer Weile setzte er sich hin, trotz der Hitze, die den Boden mit einer Schicht flirrender Luft belegte.
    »Wellie«, sagte Megan noch einmal, ein wenig lauter als zuvor. Das nutzlose Wesen im Haus fing wieder an zu weinen, und jetzt weinte auch Megan.

 
    Erster Teil
     
    HITZE

 
    1
     
    Der Schiffsrumpf glänzte, ein dunkles Tier, das sich auf die Seite gelegt hatte, ein riesiger gewölbter Körper, aufgedunsen vom Vergehen der Zeit. In einer gekrümmten Linie verliefen Bullaugen auf der dem Licht zugewandten Flanke, schwarze, kreisförmige Wunden, umrandet von schorfigem Rost. Am Bauch, unter einem Fell aus Tang, bogen sich von Salz zerfressene Stahlrippen. Die Dünung war kaum spürbar, die See ein Theatermeer aus grauem Tuch, in dem sich nichts spiegelte, nicht einmal die im windlosen Himmel stehenden Wolken.
    Tobey O Flynn sah dem Boot nach, das ihn auf die Insel gebracht hatte. Er stand auf dem Streifen trockenen Grases zwischen dem Ufer und der sanft ansteigenden Böschung und lauschte dem verklingenden Tuckern des Außenbordmotors. Er hatte die Koffer während der ganzen Fahrt nicht losgelassen und hielt die Griffe auch jetzt noch umklammert. In der Ferne glaubte er Seevögel zu erkennen, winzige auf- und zuklappende Scheren vor einem gelben Horizont. Ein Gefühl der Verlorenheit ergriff ihn so heftig, dass er lächeln musste. Er schloss die Augen und summte die ersten Takte eines Songs, der ihn seit seiner Abreise begleitete. Der Abend brachte endlich Kühlung, die Kleidung löste sich von der feuchten Haut. Obwohl die Koffer schwer waren, setzte er sie nicht ab; das Ziehen in seinen Armen erinnerte ihn vage an richtige Schmerzen. Tobey O Flynn stellte sich vor, ein Schiff zu sein, die brennenden Arme waren Ketten und die Koffer Anker, die den Grund nicht berühren durften, noch nicht.
    Nachdem er eine Weile so dagestanden hatte, öffnete er die Augen, drehte sich um und ging über den Boden aus Sand, Steinen und Schwemmholz zu dem erhöhten Feld, dessen dürres Gras unter seinenSchuhen raschelte. Palmen und Bäume mit unterspülten Wurzeln neigten sich dem Meer zu, andere hatte der Wind landeinwärts gedrückt. Ein Trampelpfad wand sich durch kniehohe braune Halme und verdorrte Büsche. Bald tauchte ein Wald aus glatten, schmalen Stämmen auf. Darin brummte und zirpte es, Käfer stießen im Flug gegen Blätter wie Tropfen eines unentschlossenen Regens. Schwärme stecknadelkopfgroßer Fliegen hingen als zitternde Gebilde in der Luft. Wenn Tobey stehenblieb, hörte er ein leises Knistern und Kratzen unter dem Laub, das den Boden bedeckte. Er schob mit dem Schuh handtellergroße Blätter zur Seite und sah Tausendfüßler und Würmer, dünn wie Zwirn. Ein Krebs verschwand rückwärts in einem Loch. Beim Gehen schlug Tobey mit den Koffern gegen die Bäume. Als er aus dem Wald trat, hob er den Blick. Das Licht sank ins Grau, genug, dass schwach die Form des Mondes sichtbar wurde.
     
    Nach dem Schiffswrack am Ufer waren Benzinkanister und Reifen die ersten Anzeichen von Zivilisation, auf die Tobey stieß. Sie lagen in einer flachen Mulde am Rand des Weges, zu dem der Pfad jenseits des Wäldchens geworden war. In einem der Kanister surrte es, Bienen oder Wespen flogen ein und aus. An einem schiefen Pfahl hing ein Blechschild mit unleserlicher Beschriftung. Die glänzende Fläche, die Tobey für eine Wasserlache gehalten hatte, erwies sich als Windschutzscheibe, über die bleiche Lianen rankten. Fingerdicke Wurzeln wuchsen an den Wänden eines Fasses hoch, Moos umhüllte einen Reifen. Die Natur arbeitete langsam und lautlos, sie überwucherte den Müll, bedeckte ihn mit Blättern, tausenden hellgrünen Planen.
    Der Belag unter Tobeys Schuhen wechselte von Sand zu Lehm, der in den Fahrspuren, wo sich während der Regenzeit Wasser gesammelt hatte, dunkel und rissig war. Bäume standen zu beiden Seiten des Pfads, ihre Blätter schimmerten trotz der rasch einsetzenden Dämmerung in zahllosen Grüntönen. Zwischen den Stämmen wuchs Gras, niedergedrückt vom Wind, der in der Nacht geweht und sich am Nachmittag gelegt hatte, der Ausläufer eines Sturms über Indonesien. Tobey blieb stehen und spähte ins Zwielicht des Tunnels, in den der Weg mündete, lauschte auf Geräusche und hörte Zirpen und gedehntes Summen und,weit entfernt, das Meer, das in einem von Ewigkeit gewiegten Takt Wellen gegen das Ufer warf.
    Der Tunnel führte zu einem Platz, einem mit
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