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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts
Autoren: R Lappert
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und pochte gegen die Blechwand. Tobey saß minutenlang still, dann schlich er zum Fenster, hob die Eisenstange auf und sah hinaus in die Nacht. Von den beiden Männern war nichts mehr zu hören, die Geräusche der Natur erfüllten die Luft. Winzige Fliegen umschwirrten Tobeys Gesicht, eine flog in seinen Mund und er spuckte sie aus, schüttelte den Kopf. Er kletterte ins Freie, stand einige Atemzüge lang andie Wand gepresst da, horchte und wartete, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Einmal um den Schuppen herumgehen würde ihn beruhigen, redete er sich ein und ging los.
    Die letzten Vögel hatten ihr Rufen aufgegeben; nur das metallische, leicht an- und abschwellende Sirren der Zikaden und Grillen war noch zu hören und, wie das Echo eines einzigen Lautes, Froschquaken aus einem Tümpel irgendwo zwischen den Bäumen. Das Gebäude zu umrunden schien ewig zu dauern, das langsame Gehen mit angespannten Muskeln anstrengender, als wenn er gerannt wäre. Neben dem Fenster, aus dem er geklettert war, setzte er sich auf einen Baumstrunk und zog das T-Shirt aus. Er dachte an die gewaltigen Sommerregen zu Hause und daran, wie sein Vater, mit dem museumsreifen Traktor auf einem halbgemähten Feld stehend, die jähen Wetterumschwünge verflucht hatte. Er versuchte, sich an den ersten Schnee seines Lebens und eine Motorradfahrt in durchnässten Kleidern zu erinnern, aber es gelang ihm nicht. Fledermäuse glitten vorbei; ihr Flügelschlag war leiser als das Geräusch der Fächer und Zeitungen, mit denen die Frauen in Manilas öffentlichen Bussen wedelten.
    Es war still und von den Männern nichts mehr zu hören. Tobey schätzte die Zeit auf Mitternacht. Obwohl er in allen Gliedern heftige Müdigkeit spürte, erhob er sich. Es kostete ihn seine letzte Kraft, die Metallstange aufzuheben, zurück zum Schuppen zu gehen und durch das Fenster zu klettern. Er tastete sich zur Werkbank und legte sich hin. Nach einer Weile vernahm er das Surren des Käfers und war froh, nicht alleine zu sein.

 
    Nachricht von Megan
     
    Ich habe Cait gesehen. Sie ist in einen Supermarkt gegangen, und ich bin ihr gefolgt. Nach all den Jahren kam sie mir kleiner vor, aber das ist bestimmt so, weil ich größer geworden bin. Der Supermarkt war ein riesiger strahlender Palast, ein Tempel voller leuchtender Dinge. Über uns schwebte Musik. Du würdest den Song erkennen, obwohl man ihn für die entrückt durch die Gänge latschenden oder an den Regalen vorbeihastenden Konsumenten eingepoppt hat. Sie kaufte das übliche Zeug ein, du weißt schon, Brot und Wein und Konserven und Haarspray, und warf alles in den Wagen und ging zur Kasse, wo sie an den Fingernägeln kaute und so traurig und verloren wirkte, dass ich für ein paar Sekunden Mitleid mit ihr hatte. Ich wette, wenn man auf sie runter schaut, sieht man den braunen Haaransatz, die elende Vergangenheit, die immer wieder nachwächst. Wahrscheinlich mögen die Männer, von denen sie gerne beachtet werden möchte, Blondinen. Ich habe meine Haare übrigens abgeschnitten. Mick Kavanagh würde sagen, ich sehe aus wie ein Kerl, und vielleicht fände mich nicht mal mehr Barry schön. Wo bist du, Tobey? Spielst du noch Gitarre? Ich war auf einem Konzert, R. E. M. , es hat geregnet und wir wurden klatschnass und unsere Füße versanken in der Erde. Aber ich mag so viele Menschen auf einem Haufen nicht, es macht mir Angst. Es war ein Gedränge und Geschiebe, unsere Körper haben gedampft, über der Menge waberte eine Wolke im Flutlicht. Vielleicht sehe ich dich irgendwann im Fernsehen, wie du auf einer Bühne stehst und ein Solo spielst. Deine Band heißt Otter Club oder Boys on Booze, und die Masse singt die Refrains mit, und ein wunderschönes Mädchen sitzt auf den Schultern ihres Freundes, hebt ihr T-Shirt und zeigt dir ihre Brüste, nur dir allein. Ich werde dich erkennen, Tobey, auch wenn dujetzt ganz anders aussiehst und dich noch verändern wirst. Cait erschien mir alt und unglücklich im heiligen Licht des Supermarkts, enttäuscht vom Ausbleiben der großen Ereignisse, die sie sich für ihr Leben erhofft hatte. Aber vermutlich kommt mir das nur so vor, weil ich ihr genau das gewünscht habe, Enttäuschung und Unglück. Auf dem Parkplatz hat sie sich in den Schatten einer Werbetafel gestellt und eine Zigarette geraucht, und als am Himmel ein Flugzeug erschien, sah sie ihm nach wie ein Kind. Dann warf sie die Kippe auf den Boden und zertrat sie sorgfältig mit ihrem roten
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