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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts
Autoren: R Lappert
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der Fensteröffnungen und wartete. Er war durstig und dachte an das Wasseraufbereitungsgerät und die Tabletten, die er im Schuppen gelassen hatte. Irgendwo auf der Insel gab es Süßwasser, davon war er überzeugt. Die Frösche, deren Quaken er gehört hatte, mussten in einem Teich leben oder zumindest in einem Tümpel. Den Worten des Verkäufers im Outdoorladen zufolge und laut der Bedienungsanleitung ließ sich sogar aus einer brackigen Pfütze Trinkwasser gewinnen, und Pfützen hatte Tobey auf der Insel schon mehrere gesehen, Überbleibsel der letzten Regenfälle. Beim Gedanken an einen Becher Tee schluckte er, und seine ausgedörrte Kehle schmerzte.
    Die Hühnerschar hatte ihn entdeckt, verstummte und nahm ihn, enger zusammenrückend, genauer in Augenschein. Nach einer Weile, während der sie sich Gedanken über seine Gefährlichkeit zu machen schienen, fuhren die Tiere damit fort, die Erdschicht aufzukratzen und nach Grassamen und Insekten zu suchen. Dabei verfielen sie erneut in monotones Gackern, struppige, lehmbraune Federbündel, über ihr Schicksal lamentierend in einem bitteren, spöttischen Monolog, einem nie endenden Schluckauf. Tobey hörte sich das eine Zeitlang an, dann warf er einen Stein nach ihnen. Krächzend stoben die Hühner auseinander und verschwanden im Dickicht, wo sie lautlos verharrten, während der Staub sich auf ihre Köpfe senkte.
    Tobey umschloss die Eisenstange mit der Faust und betrat die Hütte, die bis auf ein paar zerbrochene Flaschen, verkohltes Papier und die Rückenlehne des Stuhls, der draußen im Gras lag, leer war. Jemand hatte mit Erde oder Schlamm die Buchstaben M, P und P auf eine der Wände geschmiert. Unter dem Giebel, an einem der rohen, armdicken Stämme, die das Wellblechdach trugen, klebte ein verlassenes Wespennest. Durch mehrere Löcher, die, so vermutete Tobey mit einem mulmigen Gefühl, von Projektilen stammten, drang Tageslicht. Mit dem Fuß schob er die angesengten Papierfetzen und rußbedeckten Glasscherben auseinander. Ein walnussgroßer Käfer rannte über den Plankenboden, kehrte nach einem halben Meter um und grub sich zurück in den aschgrauen Haufen, aus dem er geflüchtet war. Tobey kauerte sich hin und versuchte den maschinengeschriebenen Text auf einem kleinen, halbverbrannten Stück Papier zu entziffern.
    Er hörte das Knarren der Bretter und wollte sich aufrichten, aber da traf etwas seinen Kopf, und der Boden vor seinen Augen zerstieb in Millionen Splitter und wurde zum schwarzen Loch, in das er stürzte, tiefer und tiefer in einem endlosen Fall, bis er endlich am Grund aufschlug und sein Körper von immenser Wärme durchflutet wurde.

 
    Nachricht von Megan
     
    Als Kind habe ich die Nacht gehasst, Tobey. Ich wollte nicht in meinem Zimmer im Bett liegen und schlafen, während die Welt sich weiter drehte und Millionen Dinge passierten, ohne mich. Ich hielt das Stillliegen in der Dunkelheit kaum aus, ertrug das Geräusch meines eigenen Atems nicht, das Schlagen meines Herzens, das leise Knarren des Bettgestells, wenn ich mich auf die andere Seite drehte, um endlich einschlafen zu können. Jetzt ist mir die Nacht die liebste Zeit. Wenn draußen das Geschiebe und Gedränge verebbt und der heillose Krach sich legt, sitze ich am Küchentisch und lese. Fast jeder der vierzig Quadratmeter meiner Wohnung ist mit Büchern gefüllt, sie stapeln sich an den Wänden bis zur Decke, sie liegen auf den Fenstersimsen, auf den Küchenschränken, unter dem Bett, zwischen den Kleidern. Besuchern würde sich bestimmt der Eindruck vermitteln, ich sei verrückt, zumindest sehr, sehr seltsam. Aber es kommen keine Besucher. Ich habe keine Freunde. Eine Handvoll Menschen sehe ich regelmäßig, aber in meiner Wohnung war noch keiner von ihnen. Der Einzige, der es betreten hat, seit ich hier lebe, ist ein kleiner dicker Klempner. Der arme Kerl musste die Toilettenspülung reparieren und war ziemlich verwirrt, als er den Flur betrat, einen Tunnel aus Büchern, der ihn zwang, den Werkzeugkasten vor dem Bierbauch zu tragen, weil links und rechts kein Platz war. Er war so klein, dass ich auf seine mit roten Flecken übersäte Glatze sehen konnte. Er machte kurze, watschelnde Schritte und sprach kein Wort, und spätestens beim Anblick der mit Büchern gefüllten Badewanne schien ihm klar zu sein, dass er die Welt einer Irren betreten hatte. (Denk jetzt nicht, ich vernachlässige meine Körperhygiene! Ich gehe jeden Tag ins öffentliche Schwimmbad, absolviere meine fünfzig
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