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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts
Autoren: R Lappert
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beschäftigt ist, um unsere törichten Gebete zu erhören. Wir reden nie über Cait, als hielten wir uns an eine Abmachung. Wir sind Kinder, geschlagen mit der Weisheit von Erwachsenen. Man nennt uns die armen Kleinen von Seamus O Flynn, hinter unseren Rücken tobt ein Lärm aus Flüstern und Gerüchten und Lügen. Cait hat uns berühmt gemacht, indem sie für immer gegangen ist. Nur Briona ist in der Gegend noch bekannter, und Malcom Carrick, der im Pub sein Glasauge rausnimmt und über den Tisch rollen lässt, wenn erbesoffen ist. Auf unserem kümmerlichen Berg sind wir weit weg von den Idioten und ihrem dummen Getratsche. Dort oben können uns alle gestohlen bleiben. Manchmal rennen wir nach Hause, weil sich der Himmel über unseren Köpfen schwarz färbt und ein Wind unsere schönen Sätze zerzaust. Wir stolpern den Hügel hinab, in den Ohren das Klatschen der Fische, die hinter uns auf die Erde prasseln. Ich schreibe dir, damit ich bei dir bin, Toto. Habe ich erwähnt, dass ich mich einsam fühle, manchmal?
     
    Da war diese Frau vom Land,
    die in der Großstadt verschwand,
    sie liebte das Lesen,
    doch war am Verwesen,
    als man nach Wochen sie fand.
     
    Wer liebt dich?
    Megan!

 
    3
     
    Tobey versuchte die Augen zu öffnen, aber es gelang ihm nicht. Seine Lider fühlten sich an, als wögen sie so viel wie er selber, jede einzelne Wimper war schwerer als ein Arm. In seinem Schädel steckte ein Messer, jemand zerrte daran, um es herauszuziehen. Blitze entluden sich auf seiner Netzhaut, Feuerwerke gewaltigen Schmerzes. Er lag am Boden, die Arme seltsam verrenkt. Die Schritte, die er zu hören glaubte, waren der eigene Herzschlag, der seinen Schädel beinahe platzen ließ. Er dämmerte weg, versank in Düsternis, wo Bilder trieben wie in tiefem Wasser, verschwommen und die Farben stumpf im fehlenden Licht. Er saß im Boot mit dem alten Mann, vor ihnen lag eine Insel in der spiegelglatten See. Sie fuhren auf die Insel zu, ohne ihr näher zu kommen. Eine Frau stand winkend am Ufer, ihr Kleid war weiß und ihr Haar kurz geschnitten. Tobey wollte aufstehen und zurückwinken, aber er konnte nicht. Der Himmel war leer bis auf einen riesigen, in seinem Kern von Gewittern erhellten Mond. Der alte Mann sagte etwas, das Tobey nicht verstand. Das Boot fuhr auf der immergleichen Stelle, und die Frau winkte, während der Mond zur fahlen Scheibe wurde, um dann langsam zu verlöschen.
     
    Als Tobey erneut zu sich kam, konnte er die Augen öffnen. Wenn eben noch ein Messer in seinem Kopf gesteckt hatte, waren es jetzt tausend Nadeln, die unter Strom standen, ein zufälliger Schaltkreis aus Stichen und kurzen, glühenden Krämpfen. Er wollte sich aufrichten und merkte, dass seine Arme auf den Rücken gedreht und an den Handgelenken gefesselt waren. Der Wangenknochen, mit dem er auf dem rohen Bretterboden lag, tat weh, sein Genick war steif und fühlte sich heiß an vor Schmerz. Er überlegte, wo er war, und der einzige Ort, der ihm nach einerWeile einfiel, war die Holzhütte mit dem von Kugeln zerschossenen Wellblechdach. Seine Handgelenke brannten, er bewegte die tauben Finger, bis sie kribbelten. Dann drehte er sich auf den Rücken und sah nach oben. Das Dach ragte über ihm auf, ein verschwommenes Firmament, in dem die Sterne der Einschusslöcher funkelten.
    Die Erkenntnis, dass jemand ihn niedergeschlagen und gefesselt hatte, ließ ihn beinahe auflachen. Stattdessen drang ein Ächzen aus seiner Kehle, und Sekunden später weinte er, überwältigt vom Gedanken, sterben zu müssen. Draußen stiegen die Geräusche der Tiere in den Himmel, ein leichter Wind ließ die Bäume rascheln.
    Als Tobey Schritte hörte, setzte sein Herzschlag einen Atemzug lang aus. Er warf sich herum, zerrte an den Fesseln und spürte, wie das Seil die Haut von seinen Handgelenken scheuerte. Er wurde unter den Armen gepackt und über die Bodenbretter geschleift. Er wand sich, wollte schreien, aber sein Mund war ausgetrocknet, mehr als ein Krächzen kam nicht heraus. Erst als er saß und sein Rücken die Wand berührte, konnte er den Kopf heben. Der Mann, den er sah, war jung, trug Sandalen, eine weite schwarze Hose und ein dunkles Leibchen, auf dem in heller Schrift etwas stand, das Tobey nicht entziffern konnte. Sein schmales Gesicht war ausdruckslos, als er Tobey musterte. Tobey atmete noch immer heftig, sein Kopf fühlte sich unendlich schwer und zerbrechlich an, ein dünnwandiges Gefäß, in dem ein Ozean schwappte. Wo er gefesselt war, brannte die
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