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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts
Autoren: R Lappert
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und ging mit dem Kopf näher heran, um den Käfer zu betrachten.
    Der Anblick brach Megan das Herz, und sie sank auf die Knie. Ihr Gesicht brannte, ihre Kopfhaut fühlte sich an, als würde sie gefrieren. Was sie noch an Tränen hatte, lief ihr über die Wangen.
    Das klickende Geräusch des Schlosses hörte sie erst, nachdem Ester verschwunden war. Minutenlang starrte sie auf das rote Rechteck, bevor sie sich erhob und zur Tür ging. Sie machte sich nicht einmal die Mühe, zu rufen oder gegen das Stahlblech zu schlagen. Von grenzenloser Müdigkeit und Resignation erfasst, glitt sie zu Boden, rollte sich zusammen und schlief innert Sekunden ein.
     
    Als sie die Augen öffnete, hatte sie keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war. Eine Weile blieb sie auf dem Rücken liegen und sah an die Decke, wo noch immer aus ein paar Lampen ein schwaches Licht in den Raum fiel. Schließlich erhob sie sich und suchte nach einem Fenster, aber es gab keine. Sie überwand sich und betrat eine der leeren Boxen, nur um festzustellen, dass sie zwar das Abdeckgitter entfernen, nicht aber durch den engen Schacht auf das Dach klettern konnte. Die Schmerzen in ihrem Fuß und an den Händen kamen zurück, und sie bereute, Malpass sämtliche Tabletten überlassen zu haben. Die Medikamente auf den Regalen waren ausnahmslos Antibiotika, Entzündungshemmer und Beruhigungsmittel. Sie schluckte eine Tablette, die laut Packungsbeilage etwa die Wirkung von Valium hatte, nahm eine Schüssel mit Obst aus dem Kühlschrank und setzte sich auf den Säckestapel. Während sie aß, fiel ihr die Pistole ein. Sie holte sie hervor und versuchte abzuschätzen, was passieren würde, wenn sie auf das elektronische Schloss feuerte, und verwarf die Idee fürs erste.
    Die Tiere waren still und apathisch. Megan warf ihnen Fruchtstücke durch die Klappe in die Box, aber sie schienen nicht hungrig zu sein. Ab und zu flackerte das Deckenlicht, ein lautloses Gewitter. Die Säcke waren unbenutzt und sauber, und trotzdem breitete Megan nur widerwillig ein paar davon auf dem Boden aus, um sich hinzulegen. Regen trommelte auf das Dach. Die Wirkstoffe des Beruhigungsmittels trieben durch ihreBlutbahnen. Sie stellte sich vor, wie es wäre, wenn Ester nicht zurückkommen und sie freilassen würde. Mit geschlossenen Augen sah sie zu, wie in ihrem Kopf ein halbgarer Plan wuchs, in dem die Beruhigungsmittel und die Pistole eine wichtige Rolle spielten. Sie wusste nicht, ob sie die Kraft dazu haben würde, den irren Mut der Verzweiflung. In London hatte der Anblick der tief unter ihr geparkten Autos gereicht, um sie von der Fensterbank steigen zu lassen. Aber dort, dachte sie, hatte sie eine Wahl gehabt, und hier würde sie irgendwann keine mehr haben.
    Den Schuss hörte sie, als sie sich in Gedanken den Pistolenlauf an die Schläfe setzte. Sie schlug die Augen auf und erhob sich. Ein zweiter Schuss fiel, dann ein dritter und vierter. Sie stellte sich in eine der leeren Boxen, wo die Geräusche durch den Lüftungsschacht hereindrangen, aber draußen war es wieder still.
    Minuten später hallten erneut Schüsse über der Insel, diesmal leiser, weiter entfernt. Megan zählte mit und kam auf elf oder zwölf. Irgendwann glaubte sie eine Explosion zu hören, einen dumpfen Knall, als würde Tobey auf der anderen Seite der Tür eine aufgeblasene Papiertüte platzen lassen, um sie zu erschrecken.
    Sie wollte sich nicht ausmalen, was passierte. Sie schluckte eine weitere Tablette, legte sich hin und entsicherte die Waffe. Das Metall der Pistole war warm, der Abzug nur ein geringer Widerstand. Vielleicht wäre das gar keine so üble Art zu sterben, dachte sie: Im Schlaf abzudrücken, träumend.
     
    Um sie herum herrschte Stille und Dunkelheit, aber sie war nicht tot. Der Dieselgenerator lief nicht mehr, es gab kein Licht und keine frische Luft. Megan wälzte sich vom Rücken auf den Bauch. Ihre Arme und Beine fühlten sich taub an. Sie kniete sich hin und hoffte vergeblich, etwas anderes zu erkennen als tiefstes Schwarz. Dann sah sie an der Tür eine winzige rote Lampe blinken und kroch auf allen vieren darauf zu. Sie erhob sich und zog mit beiden Händen am Griff, und als sie es schaffte, die Tür zu öffnen, wurde sie von Erleichterung erfasst wie von einer Woge kühlen Wassers.
    Eine Weile stand sie im stockfinsteren Vorraum und wartete, bis sie sich trotz des Sauerstoffmangels auf den Beinen halten konnte. Der Rucksackmit der Taschenlampe fiel ihr ein, doch Ester schien ihn mitgenommen
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