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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts
Autoren: R Lappert
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zu haben. Schließlich tastete sie sich zur Eisengittertür, und obwohl sie damit gerechnet hatte, dass sie verschlossen sein würde, geriet sie in leise Panik. Sie setzte sich auf den Boden und versuchte, klar zu denken. Von Technik verstand sie nicht viel, vermutete jedoch, dass der Stromausfall die elektronischen Schlösser außer Betrieb gesetzt hatte. Was sie mit Sicherheit wusste, war, dass sich das mechanische Schloss nur mit dem Schlüssel öffnen ließ oder mit Gewalt. Sie erinnerte sich an das Gewehr und suchte die Wand neben dem Schrank ab, aber die Halterung war leer.
    Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis sie die Pistole und eine Registerkarte geholt hatte. Sie nahm zwei Stoffmasken aus dem Regal und verstopfte sich damit die Ohren. Mit der Karte glitt sie zwischen Tür und Rahmen und fand den Riegel, den die Kugel treffen musste. Sie legte den Pistolenlauf an die Stelle und trat einen Schritt zurück. Den Gedanken an Querschläger verdrängend und die Waffe mit beiden Händen umfassend, drückte sie ab.
    Trotz des Stoffes in den Ohren hatte sie das Gefühl, der Knall zerreiße ihr den Kopf. Es kam ihr vor, als tauchte das Mündungsfeuer den ganzen Raum in grelles Licht, als würden die Schallwellen von den Wänden abprallen und über ihr zusammenschlagen. Sie wartete einen Moment, dann trat sie mit dem Fuß gegen die Eisenstangen, aber die Tür bewegte sich nicht. Das Metall glühte, wo die Kugel es zerfetzt hatte, Megan glaubte ein Leuchten zu sehen. Ein beißender, schwefliger Geruch stieg ihr in die Nase, während sie sich darauf vorbereitete, ein zweites Mal zu schießen.
    Nach der dritten Kugel war das Magazin leer. Megan warf sich gegen die Tür, die knirschte und ächzte, aber nicht aufsprang. Sie nahm den Feuerlöscher von der Wand und drosch damit auf das Schloss ein, und endlich brach der Riegel. Megan war so erschöpft, dass sie, als die Stahltür sich wie von alleine öffnete, die Treppenstufen hinabstolperte, auf die nasse Erde fiel und liegen blieb.
     
    Es war Abend, vielleicht sieben oder acht Uhr, vielleicht auch später. Megan sah in den Himmel, aus dem schnurgerade ein feiner Regen fiel. Ihr Mund war geöffnet, der Lärm entwich langsam ihrem Kopf. In einerVertiefung neben ihr hatte sich Wasser gesammelt, und sie drehte sich auf den Bauch und trank davon. Sie dachte an Tanvir und den Mann, der angeblich mit einem Boot kommen würde, um sie und Carla und jeden, der nicht sterben wollte, mitzunehmen, und daran, dass sie auf der falschen Insel war.
    Sie erhob sich und ging zurück in die Baracke. Die Schlösser der Stahltüren waren anscheinend so programmiert, dass sie sich, wenn die Generatoren ausfielen und das Notstromaggregat nicht funktionierte, automatisch öffneten. Der Raum, den Megan betrat, sah genauso aus wie der gegenüberliegende, aber sämtliche Boxen und der Kühlschrank waren leer. Ein paar unbenutzte Säcke lagen herum, auf einem Regal stand eine Plastikschüssel voller eingeschweißter Mullbinden, Verbandszeug und Nadeln, und an einer Wand lehnte etwas, das Megan erst als Blasrohr für Narkosepfeile erkannte, als sie es in die Hand nahm und das Mundstück aus Plastik bemerkte. Sie warf es auf den Boden und ging in den anderen Raum zu den Affen. Dort schob sie an allen Boxentüren die Riegel zurück und öffnete sie. Dann setzte sie sich in die Dunkelheit einer Ecke und wartete.
    Die Tiere bewegten sich so wenig wie zuvor, keines gab einen Laut von sich. Irgendwann streckte ein Javaneraffe zaghaft den Arm aus, als wollte er prüfen, ob die durchsichtige Wand vor ihm tatsächlich nicht mehr da war. Die anderen schienen noch nicht einmal bemerkt zu haben, dass die Türen ihrer Käfige offenstanden. Megan verließ die Ecke und ging vor der Box des Schimpansen auf die Knie. Er hob den Kopf und sah sie an, und Megan rutschte näher zu ihm hin, wartete und schob dann vorsichtig eine Hand über den Boden, bis sie auf den Fliesen der Box lag. Der Schimpanse senkte den Blick und betrachtete die Hand. In seinen Augen war nichts; keine Neugier, keine Verwirrung, keine Angst, nur teilnahmslose Leere. Er saß an die Rückwand gelehnt da, das Hinterteil in der Rinne, die jetzt mit einer Schicht aus Kot und Urin bedeckt war, und atmete, ohne dass ein Funke Leben in ihm gewesen wäre.
    Als Megan ihn sachte am Bein berührte, zuckte der Affe zusammen. Mit einer erstaunlich schnellen Bewegung griff er nach Megans Hand und biss ihr in den Unterarm. Dann ließ er sie so schnell los, wie er
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