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Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Titel: Auch unter Kuehen gibt es Zicken
Autoren: Karin Michalke
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mit denen sie ihre Männer versorgen.
    Aber ich war keine normale Frau. Ich wollte Musik um mich haben. Und verrückte Gestalten in verrauchten Kneipen. Ich war gerade mit der Filmhochschule fertig und wollte die Wahrheit über das Leben und die Liebe herausfinden. Kein Tag war wie der andere. Und dann war da noch mein »depressives Syndrom«. Johanniskrauttabletten haben nicht wirklich geholfen. Schon eher Berge. Die waren gut. Ich hab meinem Freund also einen Deal vorgeschlagen: Noch einen Sommer Berg. Auf einer Alm. Und dann, im Herbst, werd ich’s versuchen. Anfangen, dein Leben zu teilen …

    Ich war voller Euphorie und wäre doch am ersten Hindernis schon fast gescheitert: Wie eine Alm für einen Sommer finden?
    Am einfachsten wär’s gewesen, wenn ich jemanden gekannt hätte, der eine Alm hat. Hab ich natürlich nicht. Also hab ich mich beworben, beim Almwirtschaftlichen Verein in Miesbach, Oberbayern. Dort steht der Bürostuhl von Maria Haller. Und der ist Dreh- und Angelpunkt im Almgeschäft. Bei der Maria melden sich alle: die Almbauern, die noch Senner suchen, und die potenziellen Senner, die eine Alm suchen. Maria macht’s möglich.
    Ich hab gezittert, als ich ihre Nummer gewählt habe.
    »Hallo, äh, Grüß Gott, ich such eine Alm …«
    »Mhmmmm …«, hat sie gesagt und in Zetteln geblättert. »A bissl spät bist’ hoid dro.«
    Almjobs werden im Januar und Februar vergeben. Zu Lichtmess, dem traditionellen Dienstbotentag am 40. Tag nach Weihnachten, muss der ganze Wer-was-wann-wohin-Zirkus über die Bühne sein. Auch im 21. Jahrhundert.
    Jetzt ist Ende März ... Das wird also schwierig. Außer es springt kurzfristig jemand ab. Das mögen sie gar nicht, die Bauern. »So was tuat ma einfach ned. Zefix.«
    Schaut nicht gut aus mit meinem Ausweg aus dem Siedlungsneubau.
    Doch eine Woche später hat Maria gleich zwei Telefonnummern für mich:
    Zweimal Juni bis September.
    »Host’ so lang Zeit?«, fragt sie.
    Ich nicke entschlossen ins Telefon.
    »Oiso: Viecher hüten, melken, Milch verarbeiten und ausschenken, wenn a Ausschank dabei is. Is scho vui Arbeit.«
    Wieder nicke ich.
    »Packst’ des?« Maria wartet einen Atemzug lang auf eine ehrliche Antwort.
    Rindviecher und Touristen, denke ich. Und leise sag ich: »Gäste kann ich im Schlaf.«
    »Na, schau. Dann wer’ma doch was finden für dich.«
    Also hab ich angerufen.
    Almbauern fragen nicht viel. Kein Warum und Woher, und was erwartest du von deinem ersten Almsommer, und bist du glücklich in deinem Leben. Es ist alles viel einfacher. Viel klarer. Zwei Anrufe. Vier Fragen, acht Antworten.
    Erster Anruf:
    »Warst’ scho moi auf ana Oim?«
    »Nein.«
    »Und mit de Viecher konnst’as? Meycha, kaasen, buttern?«
    »Äh, nein, leider.«
    Absage Nummer eins.
    Zweiter Anruf:
    »Warst scho moi auf ana Oim?«
    »Nein, aber ich lern schnell.«
    »Und mit de Viecher konnst’as? Braucha scho hiat’n, is a weit’s Gebiet.«
    »Äh, ja, das krieg ich schon hin, glaub ich ...«
    Absage Nummer zwei.
    Wer hätte das gedacht.
    Vielleicht haben sie recht. Ich bin noch nie auf einer Alm gewesen. Kann weder melken, noch habe ich mich jemals in meinem Leben mit der Herstellung von Butter, Joghurt oder Quark befasst. Außer vorm Kühlregal. Ich kenne keine Giftpflanzen und keine Heilkräuter. Ich habe keinen blassen Schimmer, wie man eine Kuh besamt. Für den Fall, dass das auch zu den Aufgaben einer Sennerin gehören sollte … Was ich nicht hoffe.
    Vielleicht war das eine Schnapsidee mit dem Sommer auf der Alm.
    Mitte April hatte ich schon alle Hoffnungen in den Wind geschrieben. Bis zu dem Anruf von Matthias Maier.
    »Jaaaa, Grüß Gott, is des no aktuell bei eahna mit da Oim?«
    »Ja«, krächzt es aus meinem Hals.
    »Jaaa, bei mir aaaa.«
    »Ja, sehr gut, dann ...« Dann was? Dann lieber doch nicht? Juni, Juli, August, September in einer Hütte hocken und Viecher hüten? Kein Strand, kein Meer, kein Open-Air-Konzert, kein Public Viewing während der Fußball-WM.
    »Ich weiß nicht … bin mir nicht sicher, ob ich ...«, stottere ich. Und dann zähl ich auf: »Okay, ich glaube, ich bin mutig genug, nachts allein zu sein, mit den leisen Geräuschen, die eine einsame Almhütte macht. Aber ich kann nicht garantieren, dass ich jeden Tag um halb sechs aufwache. Und dass ich’s bis September aushalte, nur mit mir allein. Hab ich auf der Alm ein Handynetz – kann ich meine Therapeutin anrufen? Was mach ich in der Zeit mit meiner Katze? Ich frag mich, ob mich
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