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Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Titel: Auch unter Kuehen gibt es Zicken
Autoren: Karin Michalke
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schreie ich und sause im Schuss auf ihn zu. Der Gedanke war: Scheißalm.

    Drunten in der Stube hat Amalia Brotzeit für zwölf Mann hergerichtet.
    »Und, was habt’s ausg’macht?«
    Hias verschwindet, Worte oder einzelne Silben murmelnd, irgendwohin. Unter die Dusche wahrscheinlich.
    Amalia stellt einen Teller vor mich hin.
    »G’fallt dir d’Hütt’n?«
    »Ja. Wir haben die Tür ausg’schaufelt.«
    »Na, sog! War no so vui Schnee?«
    »Ja, schön is.«
    »Mhm, ja, schee is scho auf da Oim, gell.«
    Wir essen. Zwei Brote mit Frischkäse und Essiggurken, eins mit Tomate.
    Bis der Hias zurückkommt, eilig, frisch geduscht und entschlossen zu reden.
    »Oiso, für di waar de Sach ... in Ordnung, sagst.«
    Ich nicke. Mit meinem ganzen Herzen.
    Er sollte Fragen stellen. Nach meinen nicht vorhandenen Qualifikationen.
    »Ich mag Tiere«, sage ich vorauseilend.
    Das bringt mir einen skeptischen Blick vom Hias ein. Nicht, weil er ein Bauer ist und Bauern grundsätzlich keine Tiere mögen. Das ist ein Vorurteil. Natürlich mögen sie ihre Tiere. Es ist vielleicht eher ein mögen auf geschäftlicher Basis. Kühe und Bauern sind füreinander Lebensgrundlage. Existenzsichernd. Keine herzerfrischenden Freizeitgefährten oder Familienmitglieder, Freunde, Lebenspartner. Hund statt Kind, Hund statt Mann. Und deswegen kann ich mir vorstellen, dass so mancher Bauer schon schlechte Erfahrungen gemacht hat mit jungen Frauen, die »Tiere mögen« oder, noch schlimmer, »Tiere lieben«. Weil wir Tierliebhaberinnen das Prinzip Landwirtschaft nicht verstehen und wie viel das alles mit Tradition und dem Selbstbild ganzer Generationen zu tun hat.
    »Melken lern ich noch, und ich ... wir haben Pferde daheim«, erkläre ich weiter.
    »Jaaa ...«
    Und mein Opa hat einen Bauernhof gehabt, bis ich vier Jahre alt war. Und ich weiß nicht mehr, was ich sonst noch sagen soll. Es gibt kein logisches Argument für mich.
    »Dann pack’ ma o mitanand«, nuschelt Hias.
    Okay.
    »Anfang Juni trei’m ma auf.«
    Aha.
    »Almauftrieb«, sagt er, bewusst langsam und deutlich, in meine großen leeren Augen hinein.
    »Ah, ja«, stammle ich.
    »Konnst aber vorher aa scho kemma.«
    Gut.
    Sehr gut.
    Ich geh auf die Alm.

... und vor mir steil bergauf
    Noch sieben Wochen normale Lebenszeit bis zum Almauftrieb. Der Versuch, bis dahin Ordnung in mein Leben zu bringen, scheitert glorreich. Meinen VW Passat bringe ich so, wie er ist, nicht durch den TÜV. Meine Kondition ist am Boden, aber auf der Alm muss ich fit sein. Mein Drehbuch wird verfilmt. Doch anstatt das zu feiern, romantisch, mit meinem Freund, und große Träume zu spinnen, fangen wir eine Diskussion über meine Defizite im Haushalt an. Die ich beende. Mit dem Knallen der Haustür, massive Eiche, und einem Schrei, gebrüllt durch sein terrakottagefliestes Treppenhaus: »Hey!! Des Oanzige, wos i bügel, san meine Ski!!!«
    Wo soll das hinführen, im Herbst …
    Nicht nachdenken. Ich muss melken lernen.
    Gott sei Dank hat meine Tante Sophie noch ein paar Kühe im Stall. Sie ist meine Rettung. Sie kann melken, kranke Euter behandeln, Kälber auf die Welt bringen, Spritzen geben, Hustensaft einflößen.
    Also. Lektion eins: Melken.
    Meine Tante drückt mir ein Melkzeug in die Hand.
    Ein Melkzeug besteht aus vier gummiverkleideten Zitzenbechern, von denen Gummischläuche zu einem Sammelstück führen, das wiederum per Gummischlauch mit der Absauganlage verbunden wird. Die Absauganlage pumpt die Milch in den Kühltank im Millikammerl. Auf der Alm gibt’s keine Absauganlagen, und Kühltanks auch nicht. Auf der Alm gibt’s Melkeimer. Aber im Prinzip ist das das Gleiche in Klein, sagt meine Tante.
    »Jetz’ schau her.« Sie rubbelt das Euter der ersten Kuh sauber, und schwupp-schwupp-schwupp-schwupp – stülpt sich das Melkzeug aus ihren Händen wie von Zauberhand ans Euter.
    Tsch-g-tsch-g-tsch-g macht es, und schäumend weiß saust die Milch durch das Absaugrohr.
    Eine Melkmaschine erzeugt ein Vakuum. Getaktet von einem Pulsator. Saugen, Pause, Saugen, Pause. Daher das Tsch-g-Geräusch beim Melken. Dieses Geräusch, ich weiß nicht, warum, macht mich selig. Wenn ich an einem Kuhstall vorbeigehe, und es ist Melkzeit, und ganz leise surrt die Melkmaschine, und ich höre dieses Tsch-g-tsch-g-tsch-g, hüllt mich Frieden ein. Bleib ich stehen und hör zu. Glückshormone.
    »Oiso?« Meine Tante hält mir Lappen und Eimer hin.
    Jetzt also ich.
    Ich rubble das Euter der zweiten Kuh sauber, und wie ich schon
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