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Atemlose Begierde

Atemlose Begierde

Titel: Atemlose Begierde
Autoren: Isabelle Sander
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oder so,
im Gegenzug für sein Leid oder so ungefähr.«
    »Gott, Rick, was passiert hier?« Ich zog die Brauen nach oben. »Das
kann nicht sein, das glaub ich nicht! Hast du’s ihm erzählt?«
    »Ich? Dazu hatte ich gar keine Chance. Wie aus der Pistole geschossen
hat er mich zur Schnecke gemacht. Sein erster Satz war so ähnlich wie: ›Hallo,
Rick, gut, dass ich Sie endlich mal an der Strippe habe, was ich Ihnen schon
lange sagen wollte …‹«
    »Das gibt’s nicht! Hör auf!«, unterbrach ich ihn, es tat mir weh, es
war erbärmlich. Ich versank fast im Boden. »Er kann’s nicht wissen, nein, nein!
Wie sollte er?«, schrie ich rum, so dass Passanten neben uns stoppten und bereit
waren, Hilfe zu leisten.
    »Er kann es nicht wissen!«
    »Er kann, Jo, er hatte doch genügend Möglichkeiten, dir auf die
Schliche zu kommen, ich mein, jetzt bist du aber naiv. Mädchen, der spielt
vielleicht den Idioten, aber …« Er zog die Schultern hoch.
    Meine Panik hatte sich noch weiter aufgeschaukelt, meine Stimme
überschlug sich, ich rang nach Luft: »Wann war das? Warum hast du mir das nie
gesagt? Du hättest mich doch anrufen können!« Ich schlug ihm auf die
Schulter.
    »Das war im Februar, vielleicht ’ne Woche bevor ich wieder nach Paris
musste. Ich hatte totale Sehnsucht nach dir, wollt dich unbedingt hören, na ja,
da hat er’s mir reingebuttert, und ein paar Tage später klärt mich dann Nadège
über euch beide auf. Sorry, Jo, aber das hat mich alles ziemlich
ausgeknockt.«
    »Er, er weiß es also …«, stammelte ich, »und du hast es mir bis
jetzt nicht gesagt!«
    »Was hätte ich denn da noch tun sollen? Du bist mir völlig durch die
Finger geronnen. Hast dich verflüchtigt. Ich wollte nicht mehr in dein Leben
drängen. Ich hab meine Nummer geändert, hab einfach aufgegeben.«
    »Ich kann ihm nie wieder unter die Augen treten. Das ist der helle
Wahnsinn.« Ich trommelte mit meinen Fäusten auf ihn ein. Er packte mich an den
Handgelenken, drückte mich an sich.
    »Jetzt komm mal wieder runter. Er weiß es doch schon. Flieg heim,
mach reinen Tisch mit ihm, und dann packst du deine Sachen und kommst
zurück.«
    »Rick, ich kann und will das nicht glauben. Bitte sag, dass es nicht
wahr ist, bitte!« Ich riss mich von ihm los.
    »Warum führst du dich so auf? Er drückt doch sowieso ein Auge zu. Ivo
glaubt, er kann dich so nicht verlieren. In Wahrheit hast du ihn doch schon
lange verlassen.«
    Ich zitterte am ganzen Leib, mir war zum Heulen. Die Kälte kroch
meine Beine hoch und breitete sich im gesamten Körper aus. Was nun in mir
aufwallte, war pure Angst, Panik davor, bereits alles verloren zu haben, ohne
dass ich es bemerkt hatte. Sein letzter Satz war der entscheidende gewesen. Ich
starrte ihn mit eingefrorenem Gesichtsausdruck an, war wie gelähmt, wusste
nichts mehr zu sagen.
    »Du musst deinen Flug erwischen. Komm, ich begleit dich rein. Und
wenn du Lust auf uns hast, dann kommst du
wieder.«
    »Du denkst, ich hab ’ne Schraube locker, oder?«
    Er grinste nun. »Ich zieh dir die Schrauben schon nach, Jo.«
Liebevoll fuhr er mir durchs Haar. Am liebsten wäre ich gleich bei ihm
geblieben, aber ich fand die Fassung wieder.
    »Du verpasst deinen Flug, wenn du nicht bald abhaust«, er schmunzelte
und strich mir noch eine Strähne aus der Stirn.
    Ich küsste ihn noch mal, schnappte meinen Rollkoffer und lief weg,
ohne mich umzudrehen.
    Bevor das Flugzeug startete, schaltete ich mein Telefon noch mal ein.
Es piepte unaufhörlich. Unzählige Anrufe, auch einer von Rick. Ich hörte die
Mailbox ab, die Nachricht war von gestern Abend.
    »Sag mal, Jo, was ist dir denn über die Leber gelaufen? Warum tust du
so was, grad nach dem heutigen Nachmittag? Ist dir klar, was das heißt? Du
trittst wirklich alles mit Füßen. Aber was immer du tust, ich geb nicht
auf.«
    Ich schaltete das Telefon ab. Starrte regungslos aus dem Fenster,
volle zwei Stunden lang, kein Frühstück, kein Kaffee, nur das Dröhnen der
Flugzeugmotoren und das Rattern der Gedanken in meinem Kopf.
    Beim Anflug auf Berlin-Tegel war es acht Uhr morgens.
Ivo war vermutlich bereits auf dem Weg in sein Büro. Keine Wolke trübte den
Himmel. Ich wusste, was jetzt meine nächste Aufgabe war: Ivo mit einer neuen
Situation zu konfrontieren, meiner, unserer – ehrlich und offen.
Mein Herz raste bei diesem Gedanken wie wild, aber ich spürte so stark wie nie
zuvor, dass ich den Mut dazu hatte. Zum ersten Mal seit langer Zeit wusste ich
wieder, wer ich war.
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