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Argus #5

Argus #5

Titel: Argus #5
Autoren: Jilliane Hoffman
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trug, wollte er ihr Angst einjagen. Wahrscheinlich stammte sie aus einem Laden für Halloween-Kostüme: Sie hatte böse Augen und gelbe, blutverschmierte Reißzähne in einem roten, hämisch grinsenden Mund. Sie war sehr viel gruseliger als die Maske, mit der er damals über sie hergefallen war. Und C. J. musste an all das denken, was er heute wohl noch mit ihr gemacht hätte, wenn er die Gelegenheit dazu bekommen hätte. Wäre seine Zugabevorstellung noch schrecklicher geworden? Sie packte ein Büschel des orangefarbenen Polyesterhaars und zog daran. Das Gummi klebte an seiner Haut und machte ein leises, schmatzendes Geräusch, als sie es herunterzog, wie ein Saugnapf, den man von der feuchten Badezimmerwand zieht. Der Mann, der darunter zum Vorschein kam, war fast eine Enttäuschung. Mit seiner glänzenden, schlaffen Haut, der teigigen Gesichtsfarbe und dem schütteren Haar wäre Bill Bantling wohl niemandem besonders monströs erschienen, wüsste man nicht, was er getan hatte. Aber das galt auch für Dennis Rader, John Wayne Gacy, Gary Ridgway oder Ted Bundy. Wenn man die Monster immer schon von weitem erkennen könnte, würden sich alle mit Pechfackeln und Mistgabeln bewaffnen, bevor es Tote gab.
    Sosehr es sie auch anwiderte, ihn anzufassen, griff sie doch mit immer noch zitternden Händen nach seinem rechten Bein und legte ihm eine Fußfessel an. Dann wiederholte sie dasselbe mit dem linken Bein. Er hatte keine Kontrolle über seine Muskeln, aber sie schon. Bevor er sich auch nur bewegen konnte, verpasste sie ihm einen weiteren Stromstoß. Sie zog ihm den Arm unter dem Körper hervor, legte ihm ein Paar Plastikhandschellen an und fesselte ihm damit die Hände auf dem Rücken.
    Von hinten würde sie ihn leichter lenken können. Sie zog das Klappmesser aus der Tasche und schlitzte mit einer einzigen raschen Bewegung Bantlings Trainingsjacke am Rücken auf, bis seine bleiche Haut frei lag. Dann legte sie eine neue Kartusche in den Taser ein und schoss noch einmal auf ihn, diesmal genau zwischen die Schulterblätter. Er fiel mit dem Gesicht voran in den Dreck. Sie entfernte die Sonden aus seiner Brust.
    Erschöpft lehnte sie sich an den Jeep und atmete tief durch. Sie prüfte die Uhrzeit auf ihrem Handy: 1 Uhr 21. Ihr blieben nur noch wenige Stunden.
    Diesmal versetzte sie ihm keinen weiteren Stromstoß, als er sich bewegte. Sie ließ ihn zu sich kommen. Seine Glieder würden funktionsfähig sein, sich allerdings steif und müde anfühlen und heftig schmerzen. Aber sie mussten ja nur noch ein kleines Weilchen einsatzfähig bleiben.
    Langsam atmete sie aus. Nun war es also so weit. Es gab keinen anderen Ausweg. Keinen anderen Weg zurück in ein normales Leben. Nach dreiundzwanzig Jahren standen nur noch wenige Kegel, die den letzten, entscheidenden Aufprall der Kugel erwarteten. Sie rollte unaufhaltsam – sie war nicht mehr aufzuhalten.
    «Los, du Schwein. Auf die Beine mit dir», sagte sie und gab ihm einen Schubs mit dem Spaten, den sie aus dem Kofferraum geholt hatte. Sie leuchtete mit der Taschenlampe vor sich, dorthin, wo der Pfad beginnen musste. «Es ist lange her. Ich hatte gehofft, ich müsste deine Fresse nie wiedersehen, aber man kann nicht alles haben. Wir müssen noch ein paar Dinge klären, wir zwei. Und weißt du was? Diesmal habe ich mein eigenes Spielzeug mitgebracht.»
    «Was hast du vor?», stieß Bantling keuchend hervor. «He, Schlampe?» Aber er klang längst nicht mehr so selbstsicher und bedrohlich, wie sie geglaubt hatte. Er klang verängstigt.
    Mit aller Kraft zog sie ihm den Spaten über den Rücken. Es war ein gutes Gefühl. «Pass auf, was du sagst. Und jetzt halt die Klappe und setz dich in Bewegung.» Sie stieß ihn mit der Metallspitze der Schaufel an.
    «Fick dich.»
    C. J. drückte den Abzug des Tasers, und er fiel zu Boden.
    «Entweder wir machen die ganze Nacht so weiter, oder aber du stehst auf wie ein richtiger Mann und gehst los. Sonst kriegst du die nächste Ladung in die Eier.»
    Er rappelte sich hoch.
    «Schön brav sein, Luna», rief C. J. über die Schulter zurück, während sie den schlurfenden Bantling vor sich her den Pfad entlangstieß, hinein in die Dunkelheit. «Mama ist bald wieder da.»

64
    M anny blickte starr auf die verschossene blaue Tapete im Wartebereich. Hunderte von Malen war er hier schon gewesen, aber nie ihm war aufgefallen, dass die Wände blau waren. Er musterte den Stapel uralter Zeitschriften auf dem uralten Couchtisch und überlegte, wie viele
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