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Argemí, Raúl

Argemí, Raúl

Titel: Argemí, Raúl
Autoren: Chamäleon Cacho
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überreifen Früchten, nach etwas, das zu verfaulen begann, sagte ihm, dass er besser von der Bildfläche verschwand.
    Er brauchte keine weiteren Zeichen. Er wusste es, wie der Fuchs, der in der stillen Nacht erwacht, weiß, dass die Hunde seine Spur am nächsten Morgen aufnehmen würden.
    Er lächelte im Dunkeln und verspürte zugleich ein klein wenig Selbstmitleid und eine gewisse Bewunderung. Er war wie der Fuchs: Er zitterte vor Angst vor den Hunden, aber er brauchte diese Mistkerle auch. Ein Fuchs ohne Hunde war nicht viel mehr als ein Aasfresser. Und er, Cacho, oder wie die Hunde ihn nennen mochten, konnte keinen Geschmack an verborgener Macht finden; er fühlte sich erst lebendig, wenn sie die Witterung bereits aufgenommen hatten.
    Ohne es zu merken, streichelte er die rote Dschellaba. Er mochte die Farbe, weil sie ihm das Gefühl gab, unbesiegbar zu sein, ein echter Torero. Ein Torero, der angesichts zweier spitzer Hörner mit dem Schicksal spielt, ein Torero, der spürt, dass der Moment gekommen ist, einen Schritt beiseitezutreten, da der Stier böse Absichten verfolgt.
    Cacho beugte sich über den Bauch der schlafenden Frau und pustete das Salz weg. Dann steckte er die Zunge in den Nabel und leckte die Haut, die salzig war wie ein Sumpf am Meer.
    »Nein … lass mich …«
    Die Frau wehrte sich dagegen, aus dem Schlaf geholt zu werden, und wich ihm mit trägen Bewegungen aus, als schwimme sie im Dunkeln.
    »Lass mich, du Blödmann …«
    Cacho ließ sie einen Moment in Ruhe, um sich von der Dschellaba zu befreien, und schmiegte seinen Körper dann wieder an ihre warme Haut. Er wollte sie nicht wecken. Er wollte sie haben, ohne sich das dumme Zeug anhören zu müssen, das sie von sich gab, sobald sie den Mund aufmachte. Er war erregt, außerdem hatte er sie gut bezahlt.
    Ich glaube, es ist das erste Mal, dass ich die Krankenschwester um eine Schlaftablette bitte. Ich bin völlig durch den Wind. Um es auf den Punkt zu bringen: Márquez hat dafür gesorgt, dass mir der Kopf schwirrt. Woher hat er nur die Geschichte von diesem Cacho? Sie passt gar nicht zu der Geschichte von Márquez und diesem Haufen von Ausgegrenzten, von denen er ununterbrochen gebrabbelt hat. Was weiß ich schon von diesem angeblichen Indianer, einem Priester und Spinner, der seine Familie umbringen wollte? Im Grunde überhaupt nichts.
    Mir kam in den Sinn, dass er vielleicht unbewusst mitbekommen hatte, wie der Polizist von einem gewissen »Cacho mit mehr Namen, als im Telefonbuch stehen«, sprach. Aber das würde bedeuten, dass er damals einen Komplizen gehabt hätte und die Mormonen sich das nicht nur eingebildet haben.
    Außerdem muss ich wohl akzeptieren, dass mir eine Sache überhaupt nicht gefällt: nämlich die Fähigkeit des Indianers, zu erzählen. Er kann mir die Wechselfälle von Cachos Leben niemals erzählen, wenn er nicht selbst Cacho oder zumindest nah an ihm dran gewesen ist. Außer er ist verrückt und in einer Art Fantasiedelirium.
    Diese Möglichkeit macht mir am meisten Angst. Denn wenn es so ist, kann ich die Story, auf die ich aus bin, vergessen. Und alles wegen eines Schwachsinnigen mit der Fantasie eines Chamäleons.
    Der Doktor hat gesagt, ich müsse schlafen, ich stünde unter Stress; und die Dicke – Teresa oder vielleicht die andere – ist mit einer Spritze aufgetaucht. Ich fühle mich wie ein Kriegsreporter an der Front, den mitten im Bombenhagel der Schlaf übermannt.

Vier
     
     
     
    Es war ein hartes Stück Arbeit, selbst für jemanden wie mich, der Erfahrung mit Interviews hat. Es war so mühsam, dass sich die Kopfschmerzen verschlimmerten und ich mich versucht fühlte, nach einem Beruhigungsmittel zu fragen. Da es jedoch ratsam war, den Schmerz zu ertragen, um bei klarem Verstand zu sein, riss ich mich zusammen und schloss die Augen.
    Márquez oder wer der Mann im anderen Bett auch sein mag, hat ein irritierendes Verhalten. Zeitweise hört sich das, was er sagt, wie parallel verlaufende Gespräche an, als reiste ich in einem voll besetzten Bus, in dem die Leute die ganze Zeit reden; Stimmengewirr und alle möglichen Geschichten, welche die Geräuschkulisse bilden.
    Bis auf körperliche Gewalt habe ich nichts unversucht gelassen – bei dem Gefühl von Fremdheit, das ich meinem Körper gegenüber habe, wäre ein solches Bedürfnis nur schädlich –, und ich kann weder genau sagen, woher die Geschichten kommen, noch, wer sie erzählt. Dieses arme Schwein ist ein Chamäleon, das jedes Mal, wenn es seinen
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