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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey
Autoren: Die chinesische Statue und andere Uberraschungen
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die schlammigen Gassen eines winzigen Dorfes namens Ha Li Chuan. Dort stießen sie auf die Hütte eines alten Handwerkers. Sir Alexander stieg vom Pferd, ließ seine Dienerschaft zurück und betrat die baufällige Werkstatt, deren Regale mit den zartesten Figuren aus Jade und Elfenbein vollgeräumt waren. Zwar waren sie jüngsten Datums, jedoch offensichtlich von der Hand eines Künstlers gefertigt, und so beschloß der Botschafter, eines der Stücke als Erinnerung an diese Reise zu erwerben. Die Hütte war sichtlich nicht für einen Besucher seiner Körpergröße gebaut, und aus Angst, eine der kleinen Figuren von den Regalen zu stoßen, blieb er wie angewurzelt stehen und sog wie verzaubert den zarten Jasminduft ein, der den Raum erfüllte.
Der alte Meister eilte herbei, um den Gast zu begrüßen; er trug ein langes, blaues Kuli-Gewand und einen flachen, schwarzen Hut, unter dem ein pechschwarzer Zopf auf seinen Rücken hinabbaumelte. Er verneigte sich zunächst tief und blickte dann zu dem Riesen aus England empor. Dieser verneigte sich seinerseits, während der Mandarin dem Meister erklärte, wer der hohe Besucher sei und daß er wünsche, die Kunstwerke besichtigen zu dürfen. Der Alte nickte zum Zeichen des Einverständnisses, noch ehe der Mandarin zu Ende gesprochen hatte. Eine gute Stunde lang betrachtete Sir Alexander die kleinen Meisterwerke mit wohlgefälligem Lächeln; danach wandte er sich an den Alten und pries dessen Kunstfertigkeit. Dieser verbeugte sich abermals, sein scheues, zahnloses Lächeln verriet tiefempfundene Freude über des Botschafters Lob. Er deutete mit ausgestrecktem Finger in die Tiefe seiner Werkstatt und gab den beiden ehrwürdigen Gästen einen Wink, ihm zu folgen. Sie betraten eine wahre Schatzkammer voll mit exquisiten Miniaturkaisern und anderen klassischen Figuren. Wie gerne hätte Sir Alexander hier in diesem Elfenbeinreich viele, viele Tage verbracht! Dank dem sprachgewandten Mandarin führte er mit dem alten Meister ein sehr angeregtes Gespräch, in dessen Verlauf Sir Alexanders große Liebe und profunde Kenntnis der MingDynastie offenbar wurde. Plötzlich leuchtete das Antlitz des kleinen Mannes auf, und flüsternd wandte er sich an den Mandarin. Dieser nickte zum Zeichen des Einverständnisses und übersetzte sodann: „Exzellenz, ich besitze ein Stück aus der Ming-Dynastie, das ich Ihnen gerne zeigen möchte. Eine Figur, die sich seit mehr als sieben Generationen im Besitz meiner Familie befindet.“
„Es wird mir eine Ehre sein“, antwortete der Botschafter.
„Die Ehre ist meinerseits, Exzellenz“, sagte das Männchen und schlurfte durch den Hinterausgang, wo es beinahe über einen streunenden Hund gestolpert wäre, zu einem alten Bauernhaus, das nur wenige Meter von der Werkstatt entfernt war. Der Botschafter und der Mandarin warteten. Es verging einige Zeit, bis der Alte zurückgestapft kam – der Zopf hüpfte auf seinen Schultern auf und nieder, und in seinen Händen hielt er einen kleinen Gegenstand. An der Art, wie er ihn umklammert hielt, konnte man unschwer ermessen, wie wertvoll er ihm sein mußte. Ehrfürchtig überreichte er ihn dann Sir Alexander, der mit offenem Mund dastand und seiner Erregung kaum Herr werden konnte. Die kleine Statue war nicht höher als fünfzehn Zentimeter, stellte den Kaiser Kung dar und war zweifellos eines der besten Stücke aus der MingZeit, die Sir Alexander je untergekommen waren. Er war sicher, daß es sich um eine Arbeit des großen Pen Q handeln müsse, eines hervorragenden Künstlers und Günstlings jenes Kaisers aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Der einzige Makel des Kunstwerkes bestand darin, daß das Elfenbeinpodest, auf dem solche Statuen zu stehen pflegen, fehlte: unter den kaiserlichen Gewändern kam ein Stück Holz zum Vorschein. Doch das konnte die Wirkung, die dieses Wunderwerk auf Sir Alexander machte, nicht beeinträchtigen! Die Augen des Alten strahlten. „Meinen Exzellenz, daß das eine gute Arbeit ist?“ fragte er.
„Eine außerordentliche“, sagte der Botschafter. „Ganz außerordentlich.“
„Meine eigenen Arbeiten nehmen sich daneben recht armselig aus“, fügte der Alte bescheiden hinzu. „Nein, ganz und gar nicht“, erwiderte der Botschafter. Aber der Alte merkte sehr wohl, daß sein Gast ihn nur nicht hatte kränken wollen. Er konnte es allein daran erkennen, daß dieser die Figur schon mit ebenso liebevoller Behutsamkeit in Händen hielt wie er selbst.
Lächelnd gab Sir Alexander sie dem
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