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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey
Autoren: Die chinesische Statue und andere Uberraschungen
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Elfenbeins behutsam in den Händen haltend. Er erhob sich, und als er ganz nahe an den Fremden herangekommen war, erkannte er ihn wieder und verneigte sich tief vor dem hohen Gast. Dieser aber sprach:
„Noch ehe das Jahr abgelaufen ist, bin ich zurückgekehrt, um meine Schuld zu begleichen.“
„Das war nicht nötig, Exzellenz. Es gereicht meiner Familie zur Ehre, den kleinen Kaiser in einer großen Botschaft zu wissen; und wer weiß, eines Tages werden ihn vielleicht auch die Menschen Ihres Heimatlandes bewundern können.“
Der Botschafter wußte nicht, was er darauf antworten sollte. Deshalb bat er den Alten nur, ihn auf eine kurze Reise zu begleiten. Der Meister willigte ein, ohne zu fragen, wohin die Reise denn ginge.
Sie ritten auf Eseln gen Norden, auf steilem, engem Pfad den Hügel hinan. Als sie das Dorf Ma Tien erreichten, wurden sie von einem anderen Mandarin in Empfang genommen, der sich vor Sir Alexander verneigte und ihn bat, er und der Meister mögen ihm von hier an zu Fuß folgen. Schweigend gingen sie zum anderen Ende des Dorfes, bis zu einer kleinen Senke, von der aus man einen wunderbaren Blick auf das Dorf Ha Li Chuan hatte. In der Senke aber stand ein nagelneues, wunderhübsches weißes Häuschen, dessen Eingang zwei steinerne Palasthunde bewachten. Der Botschafter wandte sich nun an den alten Mann, der während der ganzen Reise kein Wort gesprochen hatte:
„Dieses kleine, unzulängliche Geschenk ist nichts als der bescheidene Versuch, Ihnen meine Dankbarkeit zu erweisen.“
Der Meister fiel auf die Knie und bat den Mandarin um Vergebung, denn es war einem Handwerker untersagt, Geschenke von Fremden anzunehmen. Der Mandarin half dem Zitternden wieder auf die Beine und versicherte ihm, daß die Kaiserin höchstselbst der Bitte des Botschafters stattgegeben hätte. Da leuchtete ein glückseliges Lächeln im Antlitz des Alten auf. Langsamen Schrittes ging er auf das Häuschen zu und konnte nicht umhin, seine Hand liebevoll über die Köpfe der zwei steinernen Palasthunde gleiten zu lassen.
Mehr als eine Stunde bewunderten die drei Reisenden noch das schmucke kleine Anwesen, ehe sie schweigsam und glücklich nach Ha Li Chuan zurückkehrten. Dort schied man voneinander, nachdem der Ehre Genüge getan worden war, und Sir Alexander war darüber hinaus höchst befriedigt, daß sein Werk den Beifall sowohl des Mandarins als auch Lady Heathcotes gefunden hatte.
Nach Beendigung seiner Mission in Peking verlieh die Kaiserin dem britischen Botschafter den Silbernen Löwen von China, und die englische Königin fügte seiner ohnedies langen Reihe von Auszeichnungen noch die eines Groß-Offiziers des Victoria-Ordens hinzu.
Wenige Wochen nach seiner Rückkehr aus China trat Sir Alexander in den Ruhestand und zog sich ins heimatliche Yorkshire zurück. Er verbrachte seinen Lebensabend im Haus seiner Väter, in Gesellschaft seiner Gemahlin und des kleinen Ming-Kaisers. Dieser prangte auf dem Kaminsims des Wohnzimmers, für jedermann sichtbar und von jedermann bewundert.
Da – wir wissen es schon – Sir Alexander ein Muster an Genauigkeit war, verfaßte er ein ausführliches Testament, in dem auch genau festgelegt war, was nach seinem Hinscheiden mit Kaiser Kung zu geschehen habe: Er vermachte ihn seinem ältesten Sohn, der ihn wiederum seinem Erstgeborenen vererben sollte und so weiter. Ausdrücklich bestimmte er außerdem, daß die Statue niemals veräußert werden dürfe – es sei denn, die Ehre der Familie stünde auf dem Spiel. An seinem siebzigsten Geburtstag Schlag Mitternacht verstarb Sir Alexander.
    Zu dem Zeitpunkt, als er in den Besitz des Ming-Kaisers kam, stand Major James Heathcote, der Erbe, im Dienste Ihrer Majestät der Königin, mitten im Burenkrieg. Er diente im Regiment des Herzogs von Wellington und war mit Leib und Seele Soldat. Für Kultur hatte er wenig übrig, war sich aber bewußt, daß das Erbstück aus China nicht irgendein beliebiger Kunstgegenstand war. Deshalb stellte er die Figur als Leihgabe in die Offiziersmesse von Halifax, damit seine Kameraden sich am Anblick des Kaisers ergötzen könnten. Während der Feierlichkeiten anläßlich der Beförderung von James Heathcote zum Oberst stand der kleine Kaiser stolz inmitten der Siegestrophäen von Waterloo, Sebastopol, der Krim und Madrid – und dort blieb er auch bis zur Pensionierung von Oberst Heathcote. Danach kehrte er auf den Kaminsims im Wohnzimmer zurück. Der Oberst hielt sich streng an die testamentarische Verfügung
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