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Applebys Arche

Applebys Arche

Titel: Applebys Arche
Autoren: Michael Innes
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daß er auch noch
alles über Afrikaner wußte. Im Grunde war die Sache ganz einfach – ganz  einfach. Aber es gab vielleicht Ausnahmen – Sonderfälle, von denen dies einer sein mochte. Der Erste Offizier – der Ire war
und vielleicht nicht allzu verläßlich – hatte geschworen, der Bursche besitze
einen Diplomatenpaß. Der Kapitän hielt ihn für einen Missionar. Unvereinbare
Auffassungen, von denen die erste extrem unwahrscheinlich war. Obwohl man sich
da auch nicht mehr sicher sein konnte, seit Halifax Außenminister war. Doch wie
dem auch sein mochte, hier stand er nun, eine mächtige Gestalt, die stets von
leiser Musik der Trommeln umgeben schien, im Begriff hereinzukommen und sich
ein Sorbet zu genehmigen. Und war Zeuge dieser Szene geworden.
    »Man darf eintreten?« fragte der Schwarze.
    Es ist nicht üblich, daß man um Erlaubnis bittet, wenn man die Bar auf
einem Sonnendeck betritt, um ein Sorbet zu essen. Der Schwarze brachte also
ausdrücklich die Rassenfrage auf. Seine Worte, ernst und wohlmoduliert, mochten
aus einer tiefen See der Einfalt aufsteigen, doch ebensogut sprudelten sie
vielleicht aus einem nicht minder tiefen Quell der Ironie empor. Die
Formulierung war fremdländisch, und zwar mit Absicht; der Eton-Akzent hatte
nichts Aufgesetztes. Und er bewegte sich zwischen den unabgeräumten Tischen wie
ein mächtiger Jäger. Mrs.   Kittery interessierte sich sichtlich für ihn. Colonel
Glover hustete, versuchte etwas zu sagen, brachte es nicht heraus, hustete noch
einmal, wie ein Motor, der erst beim zweiten Versuch anspringt. »Schöner
Morgen«, sagte er. »Wenn auch ein wenig schwül.«
    Der Schwarze – konnte er ein Zulu sein? – lächelte strahlend. »Ich
habe es gern feucht«, sagte er – in schönstem Schulbuchenglisch und als töne
die Stimme aus einem Lautsprecher, der den Worten noch zusätzliche Größe und
Fülle verlieh. »Wissen Sie, wohin ich in London oft gehe? In das
Tropenhaus im Zoo.«
    »Ins Tropenhaus!« Miss Curricle war verblüfft.
    Der Schwarze verneigte sich. »Zu den Gorillas«, fügte er mit ernster
Stimme hinzu. Und dann holte er tief Luft, streckte beide Arme aus und trommelte
sich, wenn auch dezent, an die Brust.
    Miss Curricle raffte unwillkürlich ihren Rock, als rechnete sie
damit, daß sie jeden Augenblick hinter einem Baumstamm Zuflucht suchen müßte.
»Das muß eine große Umstellung sein«, sinnierte sie. »London, meine ich. Nach – nach dem Teil der Welt, aus dem Sie kommen.«
    Mr.   Hoppo machte eine Handbewegung, die den gesamten umgebenden
Ozean umfaßte. »Kennen Sie«, fragte er herzlich, »den Pazifik gut?«
    Der Schwarze antwortete nicht sogleich, und sie blickten alle hinaus
aufs Meer, als ob sie dort in den Wellen die Antwort finden könnten. Der
Horizont, der aus dieser Höhe sehr fern wirkte, wogte gleichmäßig, eine leicht
gezackte Linie zwischen den beiden Blautönen. Er umfaßte nur Leere, das
immerwährende Auf und Ab des Ozeans. Niemand konnte den Pazifik kennen,
und vielleicht war es das, was der Schwarze mit seinem Schweigen zum Ausdruck
bringen wollte. »Nur einen kleinen Winkel davon«, sagte er dann. »Ich war eine
Zeitlang auf den Tamota-Inseln tätig.«
    »Ah«, sagte Mr.   Hoppo, und seine Stimme nahm eine ganz neue Färbung
an. »Wie verstreut die Schäflein doch sind. Und wie wenige …«
    »Ich bin Anthropologe.«
    »Tatsächlich!« Mr.   Hoppo gab den ekklesiastischen Tonfall sogleich
wieder auf und rückte seine Züge zu einer halbwegs glaubwürdigen Darstellung
des aufgeschlossenen Wissenschaftlers zurecht. »Eine faszinierende Arbeit,
Sir.«
    »Ich habe einige bemerkenswerte Funde gemacht. Ich könnte mir
vorstellen, daß es Sie interessieren wird.«
    »Zweifellos.« Mr.   Hoppo sagte es ohne rechte Überzeugung.
    »Insbesondere bin ich auf einen Inkarnationsmythos gestoßen …«
    »Ah!« Mr.   Hoppo sah sich um. »Wo habe ich denn bloß mein …«
    »Mr.   Hoppo«, erklärte Miss Curricle, »ist ein Mann der Kirche.« Sie
sagte es mit einer Strenge, die durch die nicht ganz eindeutige Aussage nur um
so unerbittlicher wurde. »Ich persönlich habe durchaus ein Interesse …«
    Mrs.   Kittery fiel ihr ins Wort. Ihre Pupillen, war dem stillen
jungen Mann aufgefallen, hatten sich beim Anblick des Neuankömmlings geweitet,
wie er es sich bei seinem eigenen Anblick gewünscht hätte; und als sie nun das
Wort an ihn richtete, war sie eifriger denn je. »Dieser Zoo«, fragte sie;
»dieser Zoo in London. Würden Sie
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