Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Applebys Arche

Applebys Arche

Titel: Applebys Arche
Autoren: Michael Innes
Vom Netzwerk:
absurden Gefährt ein
Boot machen, mit dem man über den Ärmelkanal navigieren konnte, geschweige denn
zu einem Ziel in der Unendlichkeit des Ozeans. Doch die psychologische Wirkung,
wenn sie ein wenig Fahrt gewannen, konnte beträchtlich sein. Selbst der pure Anschein
von Seefahrt würde besser sein als das reine Dahintreiben. Gerade nachts, wenn
man sich der schönen Vorstellung hingeben konnte, nach den Sternen zu
navigieren.
    Glover versetzte dem Mast einen Schlag, daß es nur so klatschte,
warf einen besorgten Blick hinüber zu Miss Curricle – die nach wie vor die
Moral der Gesellschaft auf ihre Weise aufrechterhielt – und fragte dann leise:
»Appleby – was halten Sie davon?«
    »Wenn das Meer so ruhig bleibt, werden wir etliche Tage durchhalten.
Dann eine Woche Koma. Mit etwas Glück bleibt einer von uns vierzehn Tage lang
wenigstens teils bei Bewußtsein. Keine schlechten Aussichten.«
    »› Nicht mit diesen zu verwechseln‹ «, fuhr
Miss Curricle unbeirrt fort, »› ist der cerberus
muriaticus muricatus. Hier ist jeder Unterkiefer mit einem
scharfen Speer oder Dorn bewehrt, so daß seine Erscheinung ein wenig einem
dreiköpfigen unterseeischen Einhorn gleicht.‹ «
    »Keine schlechten …?« Glover starrte Appleby an, aber durchaus mit
etwas wie Anerkennung.
    »› Wenn diese Spezies in Schwärmen im
gespenstischen Dschungel des Meeresbodens auf Jagd geht, wirkt sie
beeindruckend wild und kraftvoll. Eine kooperative Methode hat sich entwickelt.
Jedes Individuum spießt drei oder mehr Seegurken auf seine Dornen und bietet
diese Beute dann dem nächstgelegenen Gefährten zum Verzehr an.‹ «
    »Keine schlechten Aussichten, weil es uns immerhin eine gewisse
Hoffnung läßt. Auf einer Schiffahrtsroute – selbst im Pazifik – sind vierzehn
Tage schon etwas. Und natürlich wird vielleicht auch nach Überlebenden gesucht;
je nachdem, was der Funker noch durchgeben konnte.« Appleby blickte grimmig
hinaus auf die offene See.
    »› Die Fortpflanzungsmethoden dieser Geschöpfe‹ «,
las Miss Curricle, ohne mit der Wimper zu zucken, »› sind in
höchstem Grade kurios.‹ «
    Mrs.   Kittery hielt kurz in ihrer Arbeit inne; Mr.   Hoppo wirkte wie
jemand, der ganz damit beschäftigt ist, in Gedanken eine kleine Melodie zu
summen. Unumunu, der zur Arbeit sein Hemd ausgezogen hatte, stand
ebenholzschwarz und reglos an der Stelle, die sie zum Bug erklärt hatten. Und
gegen Westen versank die Sonne im Philippinenbecken. Sie waren allein mit sich
und mit der Welt der Tiefsee, die Miss Curricle für sie heraufbeschwor. Der
Ozean, unendlich leer in seiner ewigen Bewegung, mit seiner sich stetig
hebenden und wieder senkenden Oberfläche, von Adern durchzogen, besprenkelt mit
Schaum, hatte sie ganz und gar in seiner Gewalt. Und sie sehnten sich nach der
Küste, nach etwas, das auch nur im entferntesten menschlich war, sehnten sich
nach dem Rauschen der Brandung, einer Bananenschale auf den Wellen, dem
ungeduldigen Tuten eines Dampfers am Pier, den Möwen, die über den Strand
stolzierten oder vom Himmel herabstießen. Doch um sie herum blitzte bestenfalls
einen Moment lang das Leben eines fliegenden Fisches auf, fließende Körper, die
fast mit dem Licht verschmolzen, und unter ihnen schlug bisweilen ein
übermütiger Delphin einen Purzelbaum.
    Der cerberus muriaticus war abgehakt – die
Daten übermittelt, die Sinne geschärft. Der Mast war errichtet, das Segel
aufgezogen, und man spürte, daß die Bar sich nun auch nach einem anderen Willen
bewegte als dem des Wassers. Mr.   Hoppo erzählte von Inseln, Flugbooten, den
Fahrten der Perlentaucher, den freundlichen Eingeborenen in ihren seetüchtigen
Kanus. Sie unternahmen Anstrengungen, nach Geschlechtern getrennte Quartiere zu
schaffen; Vorräte wurden eingeteilt, und es gab ein Mahl aus Eiscreme und
Waffeln, das Mrs.   Kittery selig zum High Tea erklärte. Der Feuerschweif der
Sonne wurde zusehends kürzer, die Scheibe rötete sich, wuchs, berührte den
Horizont, und im nächsten Augenblick war sie auch schon mit einem letzten
grünen Lichtschein verschwunden. Miss Curricle, die in Erwartung zukünftiger
Not die Krümel auflas, kommentierte es mit der Bemerkung, daß in diesen Breiten
die Dunkelheit hereinbreche, ehe man sich versehe.
    Gesichtszüge wurden undeutlich, nur die Umrisse blieben; für eine
Weile lösten sich die Zungen. »Jetzt könnten wir Mr.   Hoppos Hippo hier
gebrauchen«, meinte Mrs.   Kittery, bei der ein Witz eine Weile länger hielt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher