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Applebys Arche

Applebys Arche

Titel: Applebys Arche
Autoren: Michael Innes
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annektieren –, muß einer der fünf der Täter sein.
    Der Literaturkenner Michael Innes spielt sein Spiel mit den Genres
der Unterhaltungsliteratur mit geradezu teuflischer List und Lust, denn der
Detektivroman schlägt um ins Abenteuer: Man findet den deutlichen Abdruck eines
nackten Fußes im Sand, der nicht von ihnen stammen kann – Robinson Crusoe läßt
grüßen, der auf seiner völlig unbewohnten Insel plötzlich mit demselben
Phänomen konfrontiert war. Es gibt also ›Wilde‹ auf der Insel, und da
gleichzeitig Miss Curricle unter Zurücklassung ihrer gesamten – wie Mrs.   Kittery genüßlich bezeugt – Garderobe verschwunden ist, kommt die
Theorie auf, die ›Wilden‹ hätten sie mitgenommen, um sie fortan als Weiße
Göttin zu verehren – dieses Mal ist offenkundig Rider Haggards She der Prätext. Was die Jungfrau auf ihrem Ausflug aber
wirklich erlebt hat, ist nur der Erfahrung eines Alpinisten vergleichbar, der
unter unsäglichen Mühen und Gefahren einen noch nahezu unberührten Gipfel
erstiegen zu haben glaubt und sich auf der Rückseite des Gipfels plötzlich auf
der Terrasse eines belebten Ausflugslokals wiederfindet.
    John Appleby vom Scotland Yard hat auf dieser Insel natürlich
keinerlei Befugnisse und weiß, daß sie die bürgerlich geordnete Welt, auf der
ein Mord aufgeklärt und der Täter vor Gericht gehört, längst verlassen haben
und aus der Welt der Verbrechen in die der Abenteuer eingetreten sind. Ihr
begegnet er mit seinen angeborenen und beruflich erworbenen Fähigkeiten,
Neugier, geschulter Beobachtungsgabe und einem im Schlußfolgern trainierten
Verstand. Und nicht zuletzt mit seiner großen Belesenheit auch in der
Genre-Literatur. Im souverän lustvollen Spiel, das sein Schöpfer Michael Innes
mit all den vielen Vorbildern treibt, auf die wörtlich oder indirekt angespielt
wird, stattet er sein Geschöpf mit der Fähigkeit aus, sozusagen zu wittern, in
welchem Buch er sich gerade befindet. Er markiert so wörtlich den Zeitpunkt, an
dem aus Wyss’ Schweizerischem Robinson Robert Louis
Stevensons Schatzinsel wird: Auf der keineswegs
unbewohnten Insel sind unterschiedlichste Gruppen in Konkurrenz miteinander
hinter demselben Schatz – oder hinter verschiedenen Schätzen? – her.
    Die Lösung selbst wird früh angedeutet – unmarkiert wird auf einen
der schönsten Krimis aller Zeiten angespielt: Wenn Appleby aufs Meer
hinausblickt und über »the riddle of the sands«, »das Rätsel der Sandbank«
nachdenkt, soll dem geschulten Leser natürlich der gleichnamige Titel von
Erkine Childers einfallen, was in der Tat den Leser auf die richtige Lösung
hinweist.
    Und wieder schlägt das Genre um – wie, muß Ihrer Lektüre überlassen
bleiben. Zuviel würde preisgegeben, wenn wir Innes’ ständig die
überraschendsten Haken schlagenden Erzählzügen weiter folgten. Ein veritabler
Tropensturm, wie er zu allen Filmen und Romanen in diesen Regionen gehört, wird
da fast zum eher beiläufigen Detail im immer neu ansetzenden und immer neue
Anläufe nehmenden Finale.
    Dem Detektivroman wurde schon von jeher eine Nähe zum Abenteuer-,
zum Agenten- und zum Spionageroman nachgesagt. Der poeta doctus Michael Innes lotet
sie aus: Wo der Raum der bürgerlichen Ordnung mit staatlicher Polizei,
unabhängiger Justiz und gesetzlich geregeltem Strafvollzug verlassen wird,
mutiert das Verbrechen zum Abenteuer oder, nach Fouchés Wort, im Agentenroman
zum Fehler – aber das Geheimnis bleibt, und ihm gegenüber steht der Detektiv,
der es löst – aus Abenteuerlust, aus Freude am Suchen und aus denkerischem
Drang zur Wahrheit – und natürlich auch zur Freude des Lesers.
    Volker Neuhaus
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