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Applebys Arche

Applebys Arche

Titel: Applebys Arche
Autoren: Michael Innes
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zieht auch wieder schlechtes Wetter auf.«
    »Ein neuer Sturm?«
    »Nein, Sir. Eine Art Nebel, die man in dieser Gegend recht häufig
hat. Hält sich manchmal tagelang, und da hätten wir keine Chance, die nächste
Insel zu sehen.«
    »Schlecht.«
    »Wir können uns nicht beklagen, Mr.   Appleby.« Mudge war nicht aus
der Ruhe zu bringen. »Haben Sie je Wartons Freuden der
Melancholie gelesen? Käuze, Sir, modrige Höhlen dunkel und feucht. Die
Finsternis des Nichts, die Öde des Beinhauses. Die entsetzliche Einsamkeit der
reglosen Welt. Die bleiche Schädelstätte. Das nenne ich Atmosphäre, Mr.   Appleby. Um die Mittagsstunde der Nacht. Das ist Poesie, Sir. Erhebend, Mr.   Appleby, ein erhebendes Gedicht.«
    Für Applebys Ohren hörte es sich mehr als nur deprimierend an. Aber
es ging etwas Beruhigendes von Mudges kultivierten Grabesgedanken aus. Und
Mudge redete noch – passender nun, wenn auch nicht aufmunternder, von Falconers Schiffbruch  –, als sie die Stimme Hoppos vom Bug
vernahmen. »Ein Wal!« rief Hoppo aufgeregt. »Ein Wal!«
    Miss Curricle, inzwischen mit George ins Gespräch gekommen, sah mit
verständlichem Schrecken auf. Mehrere Gäste kamen aus der Kajüte. Appleby
wandte sich um und verfolgte, wohin Hoppo mit dem Finger wies. Und diesmal war
es tatsächlich ein Wal. Man konnte die Fontäne spritzen sehen, keine Meile weit
fort; und binnen kurzem kam dahinter eine zweite in Sicht. In der Unendlichkeit
des Meers war jedes Säugetier ein Gefährte, und die Barkasse hielt darauf zu,
als freute sie sich, daß Abwechslung kam. Und weitere Wale tauchten auf; es
mußte eine große Familie sein; manche Gäste sahen schon Grund zur Besorgnis.
Aber Mudge ließ sich durch nichts von dem Kurs abbringen, den er genau nach
Westen hielt, und das Boot nahm unbeirrt seinen Weg. Es sah ganz danach aus, als
würden sie die wasserspeienden Seeungeheuer aus nächster Nähe zu sehen
bekommen. Doch dann, urplötzlich, senkte der Nebel sich auf sie herab, und sie
fuhren blind.
    Mudge drosselte das Tempo. Die Passagiere kehrten in die Kajüte
zurück. Eben war es noch hellichter Tag gewesen, bald würde es dunkel sein; bis
dahin sorgte der Nebel für ein gänzlich untropisches Zwielicht auf See. Er
wurde so dicht, daß sogar das Tuckern des Motors nur noch gedämpft heraufklang;
bugwärts versank die Sonne in einem diffusen orangefarbenen Schimmer; aus
der Kajüte drangen murmelnd die Gespräche der Gäste herauf. Und mit einem Male
fühlte Appleby sich elend. Vielleicht war es Mudge, dessen Lobreden auf die
Freuden der Melancholie nun allmählich zu wirken begannen; vielleicht war es
auch, weil ihm diese Fahrt in einer Nußschale über den Pazifik so entsetzlich
vertraut vorkam. Miss Curricles Stimme kam aus dem Schatten herüber und riß ihn
aus seinen finsteren Gedanken. »Mr.   Appleby«, sagte sie verschwörerisch,
»kommen Sie doch bitte einmal her.«
    Er ging nach vorn. Miss Curricle wies mit mißbilligendem Finger auf
etwas, das unter der Ruderbank lag. »Nichts läge mir ferner als für unnötige
Aufregung zu sorgen. Aber ich habe soeben einen Gegenstand entdeckt, den man,
fürchte ich, nicht ohne Beunruhigung betrachten kann. Kurz gesagt, Mr.   Appleby,
eine Bombe.«
    Appleby spähte ins Finstre. Kein Zweifel, es war eine feindliche Granate,
die offenbar beim Bombardement ins Boot gefallen und nicht detoniert war. Mehr Beunruhigung,
als Appleby an den Tag legte, als ihm das aufging, hätte auch Miss Curricle nicht
verlangen können. Mit der Bewegung des Bootes schaukelte die Granate sanft hin und
her. Sie sah ganz so aus, als würde sie mit der nächsten großen Welle kippen. Appleby
hielt sie vorsichtig mit dem Fuß und rief nach Glover. Er war sich zwar nicht ganz
sicher, ob Glover nicht noch aus der Zeit vor der Erfindung der Handgranate stammte,
aber zweifellos war er der Mann, den man bei solch mörderischem Gerät zu Rate
ziehen mußte.
    Und Glover sah das gefährliche Stück mit Respekt an. »Ein
Blindgänger«, sagte er. »Das einzige, was noch schlimmer ist als eine scharfe
Bombe, ist eine Bombe, die beim Scharfmachen hängengeblieben ist. Am besten
schmeißen wir sie über Bord.« Er beugte sich und wollte sie vorsichtig fassen;
dann hielt er inne, sah sie noch einmal an, lachte leise und hob sie auf. »Aber
wir tun dem kleinen Kerl unrecht – der hatte nie eine Chance.« Er hielt sie
Appleby und der skeptischen Miss Curricle hin. »Wie eine Handgranate – nur
größer. Man zieht einen
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