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Apple - Die Geburt eines Kults

Apple - Die Geburt eines Kults

Titel: Apple - Die Geburt eines Kults
Autoren: Michael Moritz
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von einer schmalen, eckigen Nase geteilt. Die linke Seite war sanft und schelmisch, während die rechte einen grausamen, mürrischen Zug trug. Es war Steven Jobs, Vorsitzender und Mitgründer von Apple Computer sowie der Geschäftsführer der Macintosh Division.
    Die Gruppe, die darauf wartete, dass Jobs zu reden anfing, arbeitete in Apples jüngster Abteilung. Ein Bus hatte sie aus der Unternehmenszentrale im kalifornischen Cupertino über eine Reihe pinienbestandener Hügel zu einer zweitägigen Klausurtagung in einer Feriensiedlung gebracht, die an der Pazifikküste für Wochenendurlauber gebaut worden war. Geschlafen wurde in einer holzverkleideten Eigentumswohnanlage mit imposanten Schornsteinen. Das Holz war vom Wind und der Gischt grau verwittert und die Gebäude waren zwischen Sanddünen und spitzem Gras aufgereiht. Die Gruppe, die sich im hellen Morgenlicht versammelt hatte, bildete die lockere Zusammenstellung, die für eine junge Computerfirma typisch war. Einige von ihnen waren Sekretärinnen und Labortechniker. Manche waren Hardware- und Software-Ingenieure. Wieder andere arbeiteten in den Bereichen Marketing, Herstellung, Finanzen und Personal. Ein paar schrieben Bedienungsanleitungen. Einige waren erst kürzlich zu Apple gekommen und trafen ihre Kollegen zum ersten Mal. Andere waren aus einer Abteilung namens Personal Computer Systems versetzt worden, die die Computer Apple II und Apple III herstellte. Manche hatten vorher in der Personal Office Systems Division gearbeitet, die die Einführung eines Gerätes namens Lisa vorbereitete, das Apple an Unternehmen verkaufen wollte. Die Macintosh Division wurde manchmal einfach „Mac“ genannt, aber das Fehlen eines offiziell klingenden Namens spiegelte ihre unstrukturierte Geburt wider. Denn der Computer mit dem Codenamen „Mac“ war in mancherlei Hinsicht eine Unternehmenswaise.
    Jobs begann und sprach ruhig und langsam. „Dies ist die Crème de la Crème von Apple. Wir haben hier die besten Leute und wir müssen etwas tun, was die meisten von uns noch nie getan haben: Wir haben noch nie ein Produkt ausgeliefert.“ Mit federndem Schritt ging er zu einer Staffelei und zeigte auf ein paar banale Sprüche, die in kindlicher Schrift auf große, cremefarbene Blätter geschrieben waren. Er verwandelte sie in Predigten. „Geschafft ist es erst, wenn wir liefern“, las er vor. „Wir müssen Millionen und Abermillionen von Details ausarbeiten. Vor sechs Monaten glaubte niemand, dass wir das schaffen könnten. Jetzt glaubt man es. Wir wissen zwar, dass die einen Haufen Lisas verkaufen werden, aber die Zukunft von Apple ist der Mac.“ Er schlug eines der Blätter zurück, zeigte auf den nächsten Slogan und las: „Keine Kompromisse.“ Er nannte das geplante Datum für die Einführung des Computers und sagte: „Lieber das Datum nicht einhalten als etwas Falsches ausliefern.“ Dann machte er eine Pause und setzte hinzu: „Aber wir werden es einhalten.“ Er schlug das nächste Blatt zurück und verkündete: „Der Weg ist das Ziel.“ Dann prophezeite er: „In fünf Jahren werden Sie auf diese Tage zurückblicken und sagen: ‚Das waren die guten alten Zeiten.‘ Wissen Sie“, sagte er nachdenklich und mit einer Stimme, die sich um eine halbe Oktave hob, „das ist der schönste Ort bei Apple, an dem man arbeiten kann. Hier ist es so, wie es bei Apple vor drei Jahren war. Wenn wir dieses sozusagen Reine bewahren und die richtigen Leute einstellen, dann wird das auch ein großartiger Ort zum Arbeiten bleiben.”
    Jobs zog eine zerknitterte weiße Plastiktüte über den Tisch, ließ sie vor dem Knie baumeln und fragte im Ton von jemandem, der die Antwort schon kennt: „Wollen Sie mal was Nettes sehen?“ Ein Gegenstand, der aussah wie ein Terminplaner, glitt aus der Plastiktüte. Das Gehäuse war mit braunem Filz bezogen, und als es sich öffnete, enthüllte es eine Computerattrappe. Ein Bildschirm nahm eine Hälfte ein und eine Schreibmaschinentastatur die andere. „Das ist mein Traum“, sagte Jobs, „von dem, was wir Mitte oder Ende der 1980er-Jahre machen werden. Mit dem Mac Eins oder dem Mac Zwei werden wir das nicht schaffen, aber mit dem Mac Drei. Das wird der Höhepunkt der ganzen Mac-Geschichte.“
    Debi Colemann, die Controllerin der Abteilung, interessierte sich mehr für die Vergangenheit als für die Zukunft. Wie ein Kind, das auf eine vertraute Gute-Nacht-Geschichte hofft, bat sie Jobs, den Neulingen zu erzählen, wie er den Gründer von
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