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Apokalypse auf Cythera

Apokalypse auf Cythera

Titel: Apokalypse auf Cythera
Autoren: Hans Kneifel
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hatte er viele Menschen gesehen. Kaum einer schien älter zu sein als fünfzig.
    »Und sie sind alle geschminkt!« stellte er fest und entfernte sich langsam von der Station. Noch immer war er fasziniert vom Anblick der Gebäude, in denen eine Anzahl der Menschen von Cythera Minor wohnte.
    Die Bauten waren geformt wie Kreisringe. Sie begannen, langsam ansteigend, dicht über dem Boden und waren auf mächtige Stelzen gebettet. Sie beschrieben einen Kreisbogen und stiegen in einem Winkel von rund fünfzehn Grad an. Sie bildeten abgeschnittene Spiralen oder Ausschnitte aus einer Schnecke. Die Fassaden waren reich und farbig gegliedert. Nicht eine Stunde kam der Eindruck des Eintönigen auf. Der Durchmesser eines solchen Gebäudes betrug rund zweitausend oder etwas mehr Meter. Zwischen den Innenmauern breitete sich eine eindeutig künstlich angelegte Landschaft aus. Wasserfälle sprudelten über Felsen, Bäume streckten ihre Äste aus, Tiere und Menschen waren auf den Rasenflächen zu sehen.
    »Und jetzt? Was kann ich jetzt tun?« fragte sich Stapen.
    Er ging langsam weiter. Die Fußgänger, die er unterwegs überholte, oder die ihm entgegenkamen, schenkten ihm nicht mehr Beachtung als ihresgleichen. Er schien sich durch Konnas Kleidung und den aufgeschminkten Streifen einigermaßen gut integriert zu haben.
    Er setzte sich in den Schatten auf eine leere Bank und zog Konnas Brieftasche hervor.
    Bedächtig studierte er die einzelnen Ausweise. Sie konnten ihm und seinen Auftraggebern viel sagen.
    Zuerst eine Fahrerlaubnis, eine Art Kapitänspatent. Stapen betrachtete das Datum. Es lag vier Jahre zurück, in der fortlaufenden Zählweise von Cythera Minor war der Schein an einem dreihundertvierzigsten Tag ausgestellt. Die Nummer der Fahrerlaubnis war sehr hoch. Bei einer Gesamtbevölkerung von rund fünf Millionen Menschen gab es immerhin knapp fünfundzwanzigtausend größere Motorboote und Jachten.
    Stapen nahm alle wichtigen Einzelheiten des Textes auf und entdeckte irgendwo den Zusatz pos. mut.
    »Positiver Mutant? Positiv mutiert?«
    Weiter. Die Karte, die ihm beinahe zum Verhängnis geworden wäre, studierte er mit geradezu wissenschaftlicher Gründlichkeit. Er wußte dabei, daß er sich kaum eine Einzelheit bewußt merken mußte. Die Psychologen von Baudelaire würden es aus seinem Unterbewußtsein hervorholen können. Wenn seine Annahme richtig war, daß jeder Bewohner dieses Planeten ein Guthaben von irgendwelchen 999 999 Einheiten besaß, das durch jeden Kauf und jede geforderte Dienstleistung um einen Betrag oder dessen Bruchteile zurückging, dann besaß Konna Pander noch mehr als die Hälfte des ihm Zustehenden. Eine weitere Plakette, auf der eine Adresse eingeprägt war. Als eine Art elektronischer Schlüssel oder eine Identifikation für einen Öffnungsmechanismus. Auch diese Plakette, ausgestellt auf das dreihundertzwölfte Apartment im dreißigsten Stockwerk der Stadt Kappa, steckte Stapen zurück.
    Als nächstes kam das vollautomatische Notizbuch an die Reihe.
    Er blickte auf und erkannte in etwa zwanzig Metern Entfernung einen Block, der in einzelne Ebenen aufgeteilt war. Langsam drehte sich der Block, und auf den Schmalseiten der Felder leuchteten Hinweise auf. Stapen rekonstruierte die Namen und Bezeichnungen des Weges, den er bisher zurückgelegt hatte, desgleichen einige Bezeichnungen aus seiner Umgebung. Dies hier war die Bahnstation Omikron, und die farbige Schnecke dort drüben mußte die Stadt Omikron Nucleon sein.
    Stapen drückte auf den Startknopf des Notizblocks.
    Langsam glitten Namen und Adressen vorbei. Die erhellte Sichtscheibe zeigte bei etwa jedem zweiten Adressaten, durch eine eingeprägte Lupe vergrößert, ein Bild. Konna schien einen sehr großen Freundes- und Bekanntenkreis zu haben. Langsam las Stapen mit. Plötzlich drückte er den kleineren Arretierknopf. Aus der viereckigen Linse sah ihm ein faszinierendes Frauengesicht entgegen. Es war ebenfalls geschminkt; dünne Linien teilten das Gesicht in sechs etwa gleichgroße Flächen auf. Die Stirn, die Augenpartie und die Linie des Unterkiefers waren jeweils zweigeteilt. Das Haar schien schneeweiß zu sein, die Augen leuchteten golden, die Grundfarbe der Gesichtshaut, des Halses und der nackten Schultern war wie ein leuchtendes Braun.
    Adagia Rouah, las Stapen Crau. Apt. 156, Omikron Nucleon, 92 168-33. Feurige Trösterin kranker Seelen. Nicht unbedenklich, da intelligent.
    Er grinste unwillkürlich. Die Notiz belustigte ihn.
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