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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Kutschers, und Bast erwog und verwarf sie eine nach der anderen. Sie traute Maistowe eine Menge Bosheiten zu, allerdings nicht, sie in einen Hinterhalt locken zu lassen; schon weil es einfach dumm gewesen wäre. Hätte er tatsächlich vorgehabt, ihr etwas anzutun, hätte er während der langen Überfahrt mehr als genug Gelegenheit dazu gehabt; und mit deutlich geringerem Risiko.
    Nun, und sollte er wirklich eine böse Überraschung für sie vorbereitet haben … Bast lächelte flüchtig. Jemand würde eine Überraschung erleben. Aber nicht sie.
    Bast zog auch den Vorhang auf der anderen Seite des Wagens auf und vertrieb sich die Zeit damit, die vorbeihuschende Stadt zu betrachten. Sie war nicht zum ersten Mal in London, aber es war lange her, und die Stadt hatte sich verändert, und das nicht unbedingt zu ihrem Vorteil. Sie befanden sich noch immer im Hafengebiet, auch wenn der Kutscher sein Gefährt mit solchem Tempo über die schlecht gepflasterten Straßen jagte, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her, und die Hafenviertel gehörten in keiner Stadt der Welt zu den vornehmeren Gegenden, sondern lockten traditionell nicht nur Abenteurer und Händler an, sondern auch allerlei zwielichtiges Gesindel und die, die vielleicht nicht von Natur aus schlecht, aber ganz unten angekommen waren und nichts mehr zu verlieren hatten. Es war hier nicht anders, und sie hatte auch nichts anderes erwartet.
    Dennoch: Die finsteren Gassen, durch die der Zweispänner so schnell jagte, dass Bast mehr als einmal Zeugin wurde, wie sich ein Passant nur noch mit einem beherzten Sprung in Sicherheit bringen konnte, und ihnen ein ganzer Chor von Flüchen und wüsten Beschimpfungen folgte wie eine akustische Kielspur, waren deutlich schmutziger und verfallener, als sie sie in Erinnerung hatte, und dasselbe galt auch für die meisten Menschen, die sie sah. Eine Stimmung von Gereiztheit und Misstrauen schien in der Luft zu hängen, und Bast konnte die allgemeine Gewaltbereitschaft nahezu mit Händen greifen. Es war, als wäre dieser Teil der Stadt … aufgegeben worden, dachte sie verwundert. Nicht nur äußerlich, sodass die Häuser nicht mehr gepflegt und dringende Reparaturen nicht mehr ausgeführt worden waren, sondern auch innerlich und von seinen Bewohnern. Zwei- oder dreimal fuhren sie – obwohl heller Tag herrschte – durch eine plötzlich auftauchende Nebelbank, ohne dass der Kutscher sein halsbrecherisches Tempo auch nur um einen Deut verlangsamte.
    Bast musste über ihre eigenen Gedanken lächeln, doch hätte sie in diesem Moment ihr eigenes Gesicht sehen können, so wäre ihr vermutlich selbst aufgefallen, dass dieses Lächeln nicht echt wirkte. Etwas blieb, ein Schatten jenes grundlosen Zweifels, den sie die ganze Zeit über verspürt hatte, und der irgendwo am Rande ihres Bewusstseins nagte, fast unbemerkt, und doch stark genug, dass er sich nicht ignorieren ließ – wie ein winziger Dorn oder der Stachel einer Kaktee, den man sich eingerissen hatte und der dicht unter der Haut abgebrochen war.
    Aber vielleicht war es ja auch andersherum, überlegte sie. Vielleicht kam ihr hier nur alles so schäbig und angstvoll geduckt vor, weil sie mit diesem verstörenden Gefühl an Land gegangen war.
    Irgendwie gelang es ihr, diesen Gedanken abzuschütteln und sich wieder auf die Fahrt zu konzentrieren, die im Übrigen bald schon nicht mehr ganz so deprimierend verlief wie am Anfang. Es wurde heller, je weiter sie sich vom Hafen entfernten, fast als wäre das Tageslicht tatsächlich vor den heruntergekommenen Gassen und ihren Bewohnern zurückgeschreckt. Sie fuhren noch immer nicht an Gebäuden vorbei, die sie mit der Hauptstadt des britischen Empire assoziiert hätte, aber bald säumten doch ansehnlichere Häuser die Straßen, welche nun auch breiter und sorgfältiger gepflastert waren. Die Menschen waren ordentlicher gekleidet und nicht mehr so aggressiv und misstrauisch … und es war ganz eindeutig nicht der Weg in die City.
    Bast überlegte einen Moment, ob ihr Fahrer seinem vermeintlich fremden und ortsunkundigen Gast vielleicht eine ungewünschte Stadtrundfahrt bieten und sich damit ein höheres Entgelt ergaunern wollte, konnte sich das aber eigentlich nicht so recht vorstellen; zumal sie ja noch nicht einmal wusste, wohin sie überhaupt fuhren.
    Sie klopfte energisch mit den Fingerknöcheln gegen das schmale Fenster, hinter dem sie Schultern und Hinterkopf des Mannes erkennen konnte, und bekam eine Antwort, noch bevor sie die
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